Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen einer Kostenerstattung für eine vom Versicherten selbst beschaffte Leistung
Orientierungssatz
1. Eine Kostenerstattung für ein vom Versicherten selbstbeschafftes Hörgerät ist nach § 13 Abs. 3 S. 1 2. Alt. SGB 5 ausgeschlossen, wenn dieser den notwendigen Beschaffungsweg nicht eingehalten hat. Der Kostenerstattungsanspruch scheidet aus, wenn sich der Versicherte die Leistung besorgt hat, ohne zuvor die Krankenkasse einzuschalten und deren Entscheidung abzuwarten.
2. Eine Kostenerstattung wegen des Vorliegens einer unaufschiebbaren Leistung i. S. des § 13 Abs. 3 S. 1 1. Alt. SGB 5 verlangt, dass die beantragte Leistung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Erbringung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubs mehr besteht, um vor der Beschaffung die Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten (BSG Urteil vom 8. 9. 2015, B 1 KR 14/14 R). Ein Zuwarten darf dem Versicherten aus medizinischen Gründen nicht mehr zumutbar sein.
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Versorgung mit Hörgeräten über den Festbetrag hinaus.
Die Klägerin ist 1963 geboren und bei der Beklagten krankenversichert. Sie leidet an dem Usher-Syndrom mit beidseitiger Retinopathia pigmentosa und Schwerhörigkeit.
Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 10.01.2017 bei der Beklagten die Übernahme der vollen Kosten für die Versorgung mit dem Hörgerät S.. Dem Antrag lag eine ohrenärztliche Verordnung einer Hörhilfe der Hals-Nasen-Ohren-Ärztin Frau Dr. G. vom 07.11.2016 und ein augenärztliches Attest des Facharztes für Augenheilkunde Herrn Dr. med. P. vom 25.11.2016 bei. Ebenso lag ein Anpass- und Abschlussbericht der Hörgeräteakustikmeisterin D. vom 06.12.2016 und ein Kostenvoranschlag vom 12.01.2017 in Höhe von 5710,00 EUR (Versorgungszeitraum 12.01.2017-11.01.2023) bei der Beklagten vor. Aus dem Anpassbericht ergibt sich, dass mit dem Wunschgerät S. in Ruhe ein Sprachverstehen von 50 % und im Störlärm von 5 % erreicht werden konnte. Mit dem zuzahlungsfreien Gerät U., konnte ein Sprachverstehen in Ruhe von 45 % und im Störgeräusch von 5 % erzielt werden.
Die Beklagte legte den Fall der Hörgeräteakustikmeisterin Frau D.S. vor und bat diese um fachliche Stellungnahme. Frau S. empfahl die Übernahme der Kosten in Höhe des Vertragspreises von 1939,00 €. Orientiert an den vorliegenden Messungen und Dokumentationen bestehe bei der Versicherten eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit beidseits. Das getestete Wunschgerät entspreche den technischen Anforderungen des GKV-Spitzenverbandes. Mit dem Wunschgerät hätten in Ruhe 50 % und im Störlärm 5 % erreicht werden können. Das zuzahlungsfreie Gerät besitze dieselbe Ausstattung wie das Wunschgerät. Ein Unterschied von 5 % in den Messungen sei zu akzeptieren und werde als Messtoleranz gewertet. Eine Begründung für eine höherwertige Versorgung bestehe nicht. Die Versicherte sei eigenanteilsfrei versorgbar.
Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 17.01.2017 den Festbetragszuschuss und lehnte eine weitere Kostenübernahme ab. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein mit Schreiben vom 31.01.2017. Sie habe mit ihrer Erfahrung als lebenslange Trägerin von Hörsystemen alle Testhörgeräte der drei Hörgeräteakustiker, bei denen sie zur Hörgeräteanpassung und Anprobe war, gewissenhaft getestet, die Vor- und Nachteile abgewogen und die Auswahl des begehrten Hörgeräts entsprechend begründet.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.05.2017 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Es besteht kein Anspruch auf die Übernahme der Mehrkosten für das S.
Dagegen richtet sich die Klägerin mit ihrer Klage vom 12.06.2017.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 17.01.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.05.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der Hörgeräteversorgung in voller Höhe zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat insbesondere auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden verwiesen.
Das Gericht hat Befundberichte des behandelnden HNO-Arztes und einen Bericht der Hörgeräteakustikmeisterin Frau D. eingeholt. Aus dem schriftlichen Bericht der Hörgeräteakustikmeisterin D. vom 11.08.2017 ergibt sich folgender Ablauf der Versorgung: Die Klägerin habe am 07.07.2016 erstmals die Hörgeräteakustikmeisterin D. aufgesucht. Vor diesem Tag sei die Klägerin im Rahmen einer Hörgeräteversorgung Kundin der Firma Hörgeräte H. und habe beidseits die Hörgeräte S., die ihr von der Firma Hörgeräte H. zur Verfügung gestellt worden waren, getragen. Das Auslesen der Hörsysteme habe eine Gesamttragezeit seit Dezember 2015 angezeigt. Die Klägerin habe ihr am 13.10.2016 ein Anschreiben der Beklagten vom 13.09.2016 überreicht, welches ihr aufgrund der Versorgungsanzeige von Hörgeräte H. übersandt worden war. Am 06.12.2016 habe sich die Klägerin für den Wechsel zu der Hörgeräteakustikmeiste...