Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Anfall einer fiktiven Terminsgebühr bei Beendigung des Verfahrens nach Annahme eines Teilanerkenntnisses oder Vergleich ohne mündliche Verhandlung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine fiktive Terminsgebühr nach Ziff 3106 RVG-VV kann auch dann gefordert werden, wenn das Verfahren nach angenommenem Teilanerkenntnis und Rücknahme der Klage im Übrigen oder durch Vergleich ohne mündliche Verhandlung endet.

 

Tenor

Die Erinnerung des Erinnerungsführers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten vom 06. September 2011 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Der Erinnerungsgegner ließ sich in einem Vorverfahren und einem Klageverfahren von einem Bevollmächtigten vertreten. Streitig waren in diesem Verfahren die Anerkennung als Schwerbehinderter sowie das Merkzeichen "G". Das Klageverfahren dauerte von November 2008 bis März 2011. Der Bevollmächtigte des Erinnerungsgegners legte in diesem Klageverfahren zahlreichen Befundberichte sowie Privatgutachten vor und es wurden zwei Gutachten im Klageverfahren vom Gericht eingeholt. Außerdem forderte das Gericht drei Befundberichte an. Mit dem vom Bevollmächtigten des Erinnerungsgegners angenommenen Teilanerkenntnisses vom 27.04.2011 wurde der GdB auf 60 erhöht, die Anerkennung eines Merkzeichens jedoch abgelehnt. Die Kosten wurden zur Hälfte anerkannt.

Mit Kostennote vom 24.05.2011 machte der Bevollmächtigte des Klägers folgende Gebühren für das Klageverfahren geltend:

Ziffer 3103 VV

250,00 Euro

Ziffer 3106 VV

100,00 Euro

Ziffer 1006 VV

250,00 Euro

Ziffer 7002 VV

  20,00 Euro

Ziffer 7000 VV

  17,50 Euro

Umsatzsteuer Ziffer 7008 VV

121,13 Euro

Gesamtbetrag

758,63 Euro.

Von diesem Betrag machte er die Hälfte geltend. Im Übrigen wurden Gebühren für das Vorverfahren beantragt.

Der Erinnerungsführer hielt die geltend gemachten Gebühren für das Vorverfahren für angemessen und war der Auffassung, dass für das Klageverfahren folgende Gebühren festgesetzt werden könnten:

Ziffer 3103 VV

170,00 Euro

Ziffer 3106 VV

190,00 Euro

Ziffer 7001 VV

  20,00 Euro

Ziffer 7000 VV

  17,50 Euro

Mehrwertsteuer

  75,53 Euro

Gesamtsumme

473,03 Euro

Von diesem Betrag erklärte er sich bereit, die Hälfte zu erstatten.

Der Urkundsbeamte setzte mit Beschluss vom 06.12.2011 die zu erstattenden Gebühren für das Widerspruchsverfahren antragsgemäß fest. Für das Klageverfahren erfolgte folgende Festsetzung:

Gebühr Ziffer 3103 VV

250,00 Euro

Gebühr Ziffer 1006 VV

190,00 Euro

Gebühr Ziffer 3106 VV

100,00 Euro

Gebühr Ziffer 7002 VV

  20,00 Euro

Umsatzsteuer

106,40 Euro

Gesamtsumme

666,40 Euro

Gegen diesen Beschluss legte der Erinnerungsführer am 19.09.2011 bei dem Sozialgericht Erinnerung ein und vertrat die Auffassung, dass die Verfahrensgebühr nach Ziffer 3103 VV nur in Höhe der Mittelgebühr festgesetzt werden könne, weil nach der Rechtssprechung Schwerbehindertenverfahren durchschnittliche Bedeutung hätten. Die Terminsgebühr sei nicht angefallen. Nach der ständigen Rechtssprechung verschiedener Landessozialgerichte würde schon nach dem Wortlaut der Ziffer 3106 VV in einem Verfahren, dass nach einem Teilanerkenntnis und Klagerücknahme im Übrigen seine Beendigung finde, eine Terminsgebühr nicht anfallen. Aus diesem Grunde müsste sie gestrichen werden.

Der Erinnerungsgegner hält die Gebührenfestsetzung durch den Urkundsbeamten für zutreffend.

II.

Die nach § 197 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ist nicht begründet. Die Kostenfestsetzung durch den Urkundsbeamten ist nicht zu beanstanden.

Nach § 14 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr bei Rahmengebühren im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko ist dabei zu berücksichtigen (§ 14 Abs.1 Satz 1 und 3 RVG). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die vom Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs.1 Satz 4 RVG). Unter Berücksichtigung dieser Kriterien ist die Gebührenfestsetzung durch den Urkundsbeamten der Höhe nach nicht zu beanstanden.

Maßgebend für die Gebührenbemessung der Verfahrensgebühr ist im vorliegenden Fall Ziffer 3103 VV. Danach bemisst dich der Gebührenrahmen der Verfahrensgebühr in Fällen, in dem eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist, in einem Rahmen von 20,00 Euro bis 320,00 Euro mit einer Mittelgebühr von 170,00 Euro. Im vorliegenden Fall war es gerechtfertigt, eine oberhalb der Mittelgebühr liegende Gebühr festzusetzen. Eine Gebühr von 250,00 Euro erscheint angemessen. Der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass für ein Schwerbehindertenverfahren, auch wenn es um die Erlangung der Schwerbehinderteneigenschaft und die Anerkennung eines Merkzeichens geht, von einer durchschnittlichen Bedeutung des Verf...

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