Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Kostenerstattungsanspruch bei Aufenthalt im Frauenhaus. zuständiger Grundsicherungsträger. bisheriger gewöhnlicher Aufenthaltsort. Aufenthalt bei Freunden bis zum Freiwerden eines Frauenhausplatzes am neuen Aufenthaltsort
Orientierungssatz
Die Pflicht des für den bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltsort zuständigen kommunalen Trägers zur Erstattung der Kosten für einen Aufenthalt im Frauenhaus nach § 36a SGB 2 entfällt nicht bereits bei einem tatsächlichen Aufenthalt an einem neuen Ort, sondern erst nach Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne des § 30 Abs 3 S 2 SGB 1 am neuen Aufenthaltsort.
Nachgehend
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 2048,27 € zu erstatten.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Der Streitwert wird endgültig auf 2048,27 € festgesetzt.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über eine Kostenerstattung nach § 36a SGB II.
Eine erwerbfähige und hilfebedürftige Person, die Leistungen nach dem SGB II erhielt und ursprünglich ihren gewöhnlichen Aufenthalt in D. hatte, war mit ihren beiden Kindern vom 30.04.2020 bis zum 12.06.2020 im Frauenhaus D. Danach befand sie sich im Haushalt einer Freundin in A. und hielt sich schließlich mit ihren beiden Kindern in dem streitgegenständlichen Zeitraum vom 22.06.2020 bis 14.07.2020 im Frauenhaus A. auf.
Der Kläger meldete mit Schreiben vom 15.07.2020 bei der Beklagten eine Kostenerstattung nach § 36a SGB II an, da der gewöhnliche Aufenthalt der betreffenden Person bis zum Einzug ins Frauenhaus A. in D. gewesen sei. Dem Antrag lag eine Stellungnahme der betreffenden Person vom 02.07.2020 bei, in der diese erklärte, dass sie sich mit ihren Kindern in der Zeit zwischen dem Auszug aus dem Frauenhaus D. und dem Einzug in das Frauenhaus A. bei einer Freundin in A. aufgehalten habe. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 21.07.2020 die Kostenerstattung ab. Der Kläger führte mit Schreiben vom 28.07.2020 aus, dass kein gewöhnlicher Aufenthalt der betreffenden Person in A. begründet worden sei, da diese Personen nur vorübergehend bis zum Einzug ins Frauenhaus A. bei ihrer Freundin habe bleiben wollen. Die Beklagte lehnte das Begehren erneut mit Schreiben vom 04.08.2020 ab. Der Kläger wies mit Schreiben vom 10.08.2020 die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts in A. erneut zurück.
Der Kläger hat am 25.01.2021 Klage erhoben.
Der Kläger ist der Ansicht, dass der letzte gewöhnliche Aufenthalt vor dem Aufenthalt im Frauenhaus A. vom 22.06.2020 bis 14.07.2020 in D. gewesen sei und nimmt Bezug auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 23.05.2012 (Az.: B 14 AS 190/11 R). Auf den Aufenthalt im Haushalt einer Freundin komme es nicht an.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 2048,27 € zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass die betreffende Person zum Zeitpunkt des Einzugs in das Frauenhaus A. keinen gewöhnlichen Aufenthalt in ihrem Zuständigkeitsbereich mehr gehabt habe, da sie mit ihrem Auszug am 12.06.2020 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in D. aufgegeben habe. Die betreffende Person sei mit der Absicht aus dem Frauenhaus D. ausgezogen, ihren gewöhnlichen Aufenthalt in D. zu beenden. Ihr Lebensmittelpunkt habe nach dem 12.06.2020 in der Wohnung ihrer Freundin gelegen. Für die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthaltes reiche es aus, wenn sich die betreffende Person an einem Ort „bis auf weiteres“ im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibs aufhalte. Dieser Ort sei nach dem 12.06.2020 in A. gewesen. Wenn kein gewöhnlicher Aufenthalt mehr besteht, sei eine Kostenerstattungspflicht nach § 36a SGB II ausgeschlossen. Die Beklagte nimmt Bezug auf die Stellungnahme des Frauenhauses D. vom 17.06.2021. Es sei ferner zu berücksichtigen, dass der Auszug aus dem Frauenhaus D. freiwillig erfolgt sei und nach dem Auszug erneut der Entschluss gefasst worden sei, wieder in ein Frauenhaus im Zuständigkeitsbereich eines anderen Leistungsträgers zu ziehen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und die beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheiden, da die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben.
Die als reine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG im Gleichordnungsverhältnis ohne Vorverfahren und Klagefrist zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf 2048,27 € aus § 36a SGG II.
Nach § 36a SGB II ist der kommunale Träger am bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltsort verpflichtet, wenn eine Person in einem Frauenhaus Zuflucht sucht, dem durch die Aufnahme im Frauenhaus zuständigen kommunalen Träger am Ort des Frauenhauses die Kosten für die Zeit des Aufenthaltes im Frauenhaus zu erstatten.
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