Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Zurückverweisung an den Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende. vorläufige Leistungsbewilligung wegen Einkommensschwankungen. Verletzung von Mitwirkungspflichten. Nichtnachweis geforderter leistungserheblicher Tatsachen innerhalb der gesetzten Frist. Rechtswidrigkeit der endgültigen Entscheidung und Leistungsversagung nach § 41a Abs 3 S 4 SGB 2 wegen fehlender Rechtsfolgenbelehrung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Aufforderung zur Mitwirkung und der darin enthaltene Hinweis auf §§ 60 ff SGB I sowie § 3 Abs 6 Alg-II-VO aF (juris: AlgIIV 2008) kann nicht in einen Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 41a Abs 3 SGB II nF umgedeutet werden.
2. Auf die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung über die Feststellung des Nichtbestehens eines Leistungsanspruchs nach § 41a Abs 3 SGB II hat die nachgeholte Mitwirkung keinen unmittelbaren Einfluss.
3. Die Nachholung der Mitwirkung führt nicht über eine analoge Anwendung des § 67 SGB I zu einer Aufhebung der Entscheidung nach § 41a Abs 3 SGB II nF.
4. Die nachgeholte Mitwirkung kann nicht im Rahmen § 44 SGB X oder § 48 SGB X berücksichtigt werden.
5. Das Gericht kann von § 131 Abs 5 SGG Gebrauch machen, wenn die Behörde zu Unrecht das Nichtbestehen eines Leistungsanspruchs nach § 41a Abs 3 SGB II nF festgestellt hat.
Tenor
Der Bescheid vom 13. Oktober 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2017 wird ohne Entscheidung in der Sache aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte hat den Klägern die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen eine endgültige Festsetzung von Leistungen für die Monate März 2015 bis einschließlich August 2015.
Die für den Beklagten handelnde A. (im Folgenden nur der Beklagte) bewilligte mit Bescheid vom 10. Juni 2015 vorläufig Leistungen nach dem SGB II. Der Kläger war selbständig tätig und die Klägerin hatte schwankendes Einkommen aus einer abhängigen Beschäftigung.
Nach Ablauf des Bewilligungszeitraums forderte der Beklagte die Kläger mehrfach zur Mitwirkung an der endgültigen Feststellung des Leistungsanspruchs auf, und zwar mit Schreiben vom 10. September 2015, 17. November 2015, 22. Januar 2016, 11. März 2016 und 25. Juli 2016. Der Beklagte wies auf die Mitwirkungsobliegenheiten nach §§ 60 ff. SGB I hin und teilweise auf die Möglichkeit das Einkommen zu schätzen. Die Kläger legten Gehaltsnachweise vor sowie eine Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben. Auf Bl. 249 der Verwaltungsakte wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 5. September 2016 verfügte der Beklagte intern, dass der Leistungsanspruch endgültig festzusetzen sei und das Einkommen gem. § 3 Abs. 6 Alg-II-VO zu schätzen sei, und zwar auf 1.600 EUR. Dementsprechend setzte der Beklagte mit Bescheid vom 13. Oktober 2016 den Leistungsanspruch endgültig auf 0 EUR fest und forderte die Erstattung der gezahlten Leistungen sowie der Sozialversicherungsbeiträge. Insgesamt seien 6.197,18 EUR zu erstatten.
Die Kläger legten Widerspruch ein.
Unter dem 8. August 2017 (Bl. 7 d. Widerspruchsvorgangs) forderte der Beklagte erneut zur Mitwirkung auf. Ein Hinweis auf bestimmte Rechtsvorschriften war nicht enthalten. Der Beklagte wies jedoch darauf hin, dass nach Aktenlage entschieden würde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2017 half der Beklagte dem Widerspruch teilweise ab und wies ihn im Übrigen als unbegründet zurück. Der Beklagte stützte seine Entscheidung auf § 41a Abs. 3 SGB II. Da die Kläger nicht mitgewirkt hätten, habe der Beklagte festzustellen, dass ein Leistungsanspruch nicht bestehe. Es sei unschädlich, dass der Ausgangsbescheid auf § 3 Abs. 6 Alg-II-VO gestützt worden sei. Die Gesetzesänderung habe keine Auswirkungen auf den Widerspruch. Allerdings seien die Sozialversicherungsbeiträge nicht zu erstatten, da diese rechtmäßiger Weise erbracht worden seien.
Die Kläger haben am 23. November 2017 Klage erhoben.
Sie beantragen, den Bescheid vom 13. Oktober 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 2016 aufzuheben. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Kammer hat die Verwaltungsakte des Beklagten beigezogen. Auf die Mitwirkungsaufforderungen auf Bl. 248, 251, 253, 255 und 271 wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist im Sinne einer Zurückverweisung an den Beklagten begründet.
Der angegriffene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Der Beklagte durfte nicht feststellen, dass ein Leistungsanspruch nicht bestand. Die Voraussetzungen des § 41a Abs. 3 SGB II sind nicht erfüllt. Der Beklagte darf nach dieser Vorschrift nur dann feststellen, dass ein Leistungsanspruch nicht besteht, wenn er zuvor auf diese Rechtsfolgen unter Fristsetzung hingewiesen hat. Der danach erforderliche Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 41a Abs. 3 S. 4 SGB II ist nicht erfolgt. Die Vorschrift des § 41a Abs. 3 S. 4 SGB II ist nämlich in den Hinweisen auf Bl. 248, 251, 253, 255 und 271 nicht e...