Entscheidungsstichwort (Thema)
Kassenärztliche Vereinigung. Krankenkasse. Verringerung der Gesamtvergütung nach § 106 Abs 5c SGB 5. keine Aufrechnung oder neue Form der Kollektivhaftung. Abtreten der Forderung an Krankenkasse nach bundesmantelvertraglichen Bestimmungen. keine Umgehung des § 106 Abs 5c SGB 5
Orientierungssatz
1. Bei der Verringerung der Gesamtvergütung iS des § 106 Abs 5c SGB 5 handelt es sich nicht um eine Aufrechnung. Vielmehr sieht die Richtgrößenprüfung eine Umformung des Schadensersatzanspruches gegen den Arzt in einen solchen gegen die Kassenärztliche Vereinigung vor (vgl LSG München vom 3.12.2008 - L 12 KA 5/08), den diese auch allein durchsetzen muss.
2. Bei der Regelung des § 106 Abs 5c SGB 5 handelt es sich nicht um eine neue Form der Kollektivhaftung, weil sich das Ausgleichsverfahren ausdrücklich auf die vom Prüfungsausschuss festgesetzten Rückforderungsbeträge für unwirtschaftliches Verordnungsverhalten einer einzelnen Arztpraxis bezieht und auch nur die Richtgrößenprüfungen umfasst.
3.Mit der nach den bundesmantelvertraglichen Regelungen (hier § 52 Abs 2 S 3 BMV-Ä bzw § 48 Abs 2 S 3 EKV-Ä in der bis zum 30.9.2013 geltenden Fassung) vorgesehenen Möglichkeit des Abtretens einer Forderung an die Krankenkasse zur unmittelbaren Einziehung, wenn und soweit eine Aufrechnung nicht möglich ist, weil Honorarforderungen des Vertragsarztes gegen die Kassenärztliche Vereinigung nicht mehr bestehen, kann eine zwingende bundesgesetzliche Vorgabe zur Verringerung der Gesamtvergütung wie in § 106 Abs 5c SGB 5 nicht umgangen werden.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beteiligten tragen je zur Hälfte die Kosten des Verfahrens.
3. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist eine von der Beklagten im II. Quartal 2009 vorgenommene Kürzung der Gesamtvergütung wegen Prüfung der ärztlichen Verordnungsweise von Arzneimitteln im Jahr 2005 streitig.
Mit Schreiben vom 08.01.2010 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie die Gesamtvergütung für das II. Quartal 2009 um die von der Prüfungsstelle Wirtschaftlichkeitsprüfung Brandenburg bestandskräftig festgesetzten Regresse, für die die Klägerin Rückforderungsansprüche gegen den Vertragsarzt habe, resultierend aus der Richtgrößenprüfung ab dem Verordnungsjahr 2005 um 6.548,06 € kürzen werde. Gleichzeitig kündigte die Beklagte an, dass sie in einem nächsten Schritt die Regresse des Jahres 2004 mit der Schlussrechnung für das III. Quartal 2009 verrechnen werde.
Mit Schreiben vom 02.02.2010 widersprach die Klägerin der angekündigten Verfahrensweise der Beklagten. Mit der angekündigten Aufrechnung werden neben noch nicht bestandskräftigen Bescheiden Forderungen erfasst, die bereits beglichen worden sind bzw. nicht mehr existent seien. Andere geltend gemachte Forderungen seien bereits an die Beklagte abgetreten worden. Mit Schreiben vom 16.03.2010 erinnerte die Klägerin die Beklagte und äußerte sich detailliert zu den geltend gemachten Forderungen.
Mit ihrer am 19.07.2010 vor dem Sozialgericht Potsdam erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Zahlung von 3.542,17 € zuzüglich Zinsen ab Rechtshängigkeit und die Feststellung, dass die Kürzung der Gesamtvergütung wegen Regressen aus Wirtschaftlichkeitsprüfungen der Jahre 2001 bis 2005 nach § 106 SGB V rechtswidrig sind. Die Beklagte habe mit der Begründung § 106 Abs. 5c SGB V Kürzungen der an die Klägerin auf der Grundlage gesamtvertraglicher Vereinbarungen zu zahlenden Gesamtvergütung der Jahre 2009 als auch fortlaufend 2010 auch in den Fällen gekürzt, in denen
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1. eine Richtgrößenprüfung und somit die gesetzliche Grundlage des § 106 Abs. 5c SGB V gar nicht vorlag, |
2. der Zeitraum der Verordnungsjahre vor dem 01.01.2004 liegt |
3. der Vertragsarzt gar nicht mehr tätig bzw. verstorben ist, |
4. die Forderungen gemäß § 52 BMV-Ä an die Beklagte abgetreten wurden. |
Mit Schreiben vom 17.05.2011 hat die Klägerin ihre Klage um folgende Beträge erweitert:
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1. für das I. Quartal 2009 um 134,57 €, |
2. für das II. Quartal 2009 um 28.190,07 €, |
3. für das III. Quartal 2009 um 40.370,53 €, |
4. für das IV. Quartal 2009 um 33.149,27 €. |
Die Beklagte habe hier aus anderen Gründen die Gesamtvergütung rechtswidrig gekürzt.
Mit Beschluss vom 18.06.2014 hat das Gericht hat diese Erweiterung der Klage abgetrennt und unter dem Aktenzeichen S 1 KA 63/14 fortgeführt.
Zur Begründung ihrer verbleibenden Forderung weist die Klägerin darauf hin, dass mit der Neuregelung des § 106 Abs. 5c SGB V der Gesetzgeber ausdrücklich klargestellt habe, dass das Ausgleichsverfahren für die Kassenärztlichen Vereinigungen keine neue Form der Kollektivhaftung darstelle. Aus dem Willen des Gesetzgebers müsse nach Auffassung der Klägerin zwangsläufig folgen, dass im Falle der Unmöglichkeit eines Rückgriffs der Kassenärztlichen Vereinigung auf Honorar aus vertragsärztlicher Tätigkeit (z. B. wenn der Arzt verstorben ist oder gar nicht mehr vertragsärztlich tätig ist, ein Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet ist) eine Haftung mit der G...