Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Ermittlung der Belastungsgrenze. keine Begrenzung auf familienversicherte Kinder. Berücksichtigung volljähriger Kinder im Sinne des Einkommenssteuerrechts
Leitsatz (amtlich)
Der Regelung des § 62 Abs 2 S 3 SGB 5 kann keine Begrenzung auf familienversicherte Kinder (§ 10 SGB 5) entnommen werden. Bei der Ermittlung der Belastungsgrenze nach § 62 SGB 5 hat zumindest so lange eine Berücksichtigung von volljährigen Kindern zu erfolgen, als für diese Kindergeld gezahlt wird und sie auch nach dem Einkommenssteuerrecht berücksichtigt werden.
Nachgehend
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 06.08.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.2005 und unter Abänderung des Bescheides vom 06.04.2005 verurteilt, der Klägerin die für das Jahr 2004 geleisteten, die Belastungsgrenze überschreitenden Zuzahlungen in Höhe von insgesamt € 362,94 zu erstatten.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Zuzahlungen und Eigenbeteiligungen zu Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung für das Jahr 2004.
Die Klägerin, welche Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bezieht, ist versichertes Mitglied bei der Beklagten. Ihr Ehemann ist privat versichert; des Gleichen ihre Kinder ... (geb. im ...), ... (geb. im ...) und ... (geb. im ...). Das weitere Kind ... (geb. im ...) befindet sich seit 01.09.2003 in Ausbildung und ist bei der AOK ... als Mitglied versichert.
Am 03.08.2004 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Befreiung von Zuzahlungen in die gesetzliche Krankenversicherung für das Jahr 2004. Seit 1995 sei sie mit der Diagnose Encephalomyelitis disseminata (MS) erkrankt (Erstmanifestation 1988). Der Grad der Behinderung nach dem Schwerbehindertengesetz betrage 90 v.H. Ferner seien die Merkzeichen G, aG und B festgestellt. Für alle anfallenden Fahrten zum Arzt oder Krankengymnasten sei sie darauf angewiesen, dass ihr Ehemann sie mit dem Auto bis vor die Tür fahre, da sie nicht mehr in der Lage sei, auch nur 100 Meter frei zu gehen.
In der von der Klägerin beigefügten Aufstellung sind bei der Berücksichtigung der Einkommenssituation drei Kinder (...) mit einem Freibetrag in Höhe von je 3.648 € (insgesamt 10.944 €) berücksichtigt. Unter Zugrundelegung dieser Einkommenssituation ergebe sich, dass der Eigenanteil von 1% (der maßgeblichen Einnahmen) durch die im Jahr 2004 angefallenen Rezeptgebühren, Krankengymnastik, Praxisgebühren, etc, bereits um 92,24 € überschritten sei.
Hierauf teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 06.08.2004 mit, bei einem anrechenbaren Einkommen von 51.520,56 € betrage die jährlich begrenzte Zuzahlung 515,21 €. Werde diese Grenze während des laufenden Jahres um 50 € überschritten, könne eine Befreiung von der Zuzahlung schon während des laufenden Jahres geprüft werden, sonst erst am Jahresende anhand der letzten Gehaltsabrechnung. Zwar werde ein Freibetrag in Höhe von 4.347 € für den Ehepartner abgezogen, da die Kinder der Klägerin jedoch nicht bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert seien, könne für diese kein Freibetrag berücksichtigt werden. Bisher seien Zuzahlungen in Höhe von 460,72 € geleistet worden.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrem Widerspruch vom 16.08.2004. Sie trug vor, es könne nicht richtig sein, dass bei der Berechnung der Belastungsgrenze ihre Kinder nicht berücksichtigt würden, das Einkommen ihres Ehemannes aber in voller Höhe für die Berechnung herangezogen werde. Das Gesetz enthalte keinen Hinweis, dass ein Freibetrag lediglich für familienversicherte Kinder berücksichtigt werde. Nach § 62 Abs. 2 S. 3 Sozialgesetzbuch (SGB) V seien für jedes Kind des Versicherten die jährlichen Bruttoeinnahmen um den sich nach § 32 Abs. 6 S. 1 und 2 Einkommenssteuergesetz (EStG) ergebenden Betrag zu mindern. Damit nehme § 62 SGB V ausdrücklich auf das Einkommenssteuergesetz Bezug; nach dem dort geltenden Kindesbegriff seien ihre drei Kinder eindeutig Kinder im Sinne dieses Gesetzes. Außerdem seien ihre Kinder auch Angehörige im Sinne des § 62 Abs. 2 S. 2 SGB V; deshalb sehe der Gesetzgeber im letzten Halbsatz des dritten Satzes vor, dass für Kinder eine Kürzung nach Satz 2 nicht zusätzlich möglich sei, um eine doppelte Entlastung zu verhindern. Im Umkehrschluss zeige dies eindeutig, dass es nicht gewollt sei, dass einerseits das Einkommen des Ehepartners voll angerechnet werde, andererseits der Unterhalt nicht familienversicherter Kinder völlig unberücksichtigt bleibe. Selbst wenn dieser Auffassung nicht gefolgt werde, so seien ihre Kinder dennoch ihre mit ihr im Haushalt lebenden Angehörigen, die von ihr und ihrem Ehemann unterhalten würden. Da ihre Kinder kein eigenes Einkommen hätten, müsste dann wenigstens der Freibetrag des § 62 Abs. 2 S. 2 SGB V für Angehörige in Höhe von 10% von 28.980 € = 2.898 € x 3 berücksic...