Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Taschen-, Verpflegungs- und Wohngeld im Freiwilligen Sozialen Jahr. keine zweckbestimmte Einnahme. kein Freibetrag bei Erwerbstätigkeit
Leitsatz (amtlich)
Einkünfte, die ein Grundsicherungsempfänger im Rahmen der Ableistung eines Freiwilligen Sozialen Jahres als monatliches Taschengeld, Verpflegungs- und Wohngeld bezieht, sind als Einkommen iS von § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 zu berücksichtigten. Ein Erwerbstätigenfreibetrag ist neben dem Abzugsbetrag nach § 1 Abs 1 Nr 13 AlgIIV (juris: AlgIIV 2008) nicht anzusetzen.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Beklagte trägt 40 % der außergerichtlichen Kosten der Kläger.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die rechtliche Bewertung des Einkommens aus einem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ).
Die am ... geborene Klägerin zu 1) und ihr am ... geborener Sohn, der Kläger zu 2), beziehen vom Beklagten Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der Kläger zu 2) absolvierte beim Internationalen Bund ein FSJ in der Zeit vom 01.04.2011 bis 31.03.2012. Der Internationale Bund bestätigte ein monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von 355 € (Taschengeld 200 €, Verpflegungsgeld 100 €, Wohngeld 55 €).
Mit Bescheid vom 10.05.2011 bewilligte der Beklagte der Klägerin zu 1) Leistungen für die Zeit vom 01.06.2011 bis 31.07.2011. Mit Änderungsbescheid vom 10.06.2011 wurden der Klägerin zu 1) für die Zeit vom 01.07.2011 bis zum 30.11.2011 Regelleistungen in Höhe von 364 €, für den Kläger zu 2) in Höhe von 291 € bewilligt. An Kosten der Unterkunft gewährte der Beklagte für die Kläger jeweils 174,50 €. Bei der Klägerin zu 1) ist ein Renteneinkommen in Höhe von 157,91 € abzüglich eines Freibetrages in Höhe von 30 € und beim Kläger zu 2) ein sonstiges Einkommen in Höhe von 355 € und ein Einkommen aus Kindergeld in Höhe von 184 € abzüglich eines Freibetrages in Höhe von 30 € berücksichtigt worden. Der Gesamtbetrag der monatlichen Leistungen betrug 367,09 €.
In dem Bescheid wurde mitgeteilt, dass von den bewilligten Leistungen 29,10 € monatlich einbehalten werden, um offene Forderungen zu tilgen.
Mit Schreiben vom 01.07.2011 erhob die Klägerin zu 1) Widerspruch.
Mit Bescheid vom selben Tage wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zu 1) als unbegründet zurück.
Die Einbehaltung von 29,10 € sei rechtsfehlerfrei.
Hinsichtlich der Einkommensberücksichtigung verwies der Beklagte auf die Begründung des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2011 in einem Parallelverfahren. In dem dortigen Widerspruchsbescheid hat der Beklagte ausgeführt, dass es sich beim FSJ nicht um eine Erwerbstätigkeit handele. Auch stelle das Einkommen keine zweckbestimmte Einnahme dar, die Einnahmen dienen vielmehr dem gleichen Zweck wie die Leistungen nach dem SGB II. Taschengeld und Verpflegungszuschuss seien die typischen Anwendungsfälle der Regelleistung, Wohngeld sei der typische Anwendungsfall gem. § 22 SGB II.
Am 01.07.2011 stellten die Kläger beim hiesigen Gericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (Az. S 12 AS 1989/11 ER) mit dem Begehren, der Klägerin zu 1) für die Zeit ab Juli 2011 höhere Leistungen zu gewähren.
Mit Änderungsbescheid vom 12.07.2011 nahm der Beklagte mehrere Änderungen vor, die jeweils nicht das Einkommen aus dem FSJ betrafen. Der Beklagte ließ mit weiterem Änderungsbescheid vom 28.07.2011 für die Zeit vom 01.06.2011 bis 30.11.2011 einen Betrag von 60 € monatlich vom Einkommen des FSJ (angerechnet als sonstiges Einkommen somit nur noch 295 €) neben dem Freibetrag von 30 € anrechnungsfrei. Die Klägerin zu 1) erklärte daraufhin das Verfahren für erledigt.
Mit der am 08.07.2011 erhobenen Klage begehren die Kläger höhere Leistungen für die Zeit ab dem 01.06.2011.
Zur Begründung führen sie an, dass das Einkommen aus dem FSJ in Höhe von 355 € Einkommen aus Erwerbstätigkeit sei und daher die Freibeträge nach §§ 11, 30 SGB II abzuziehen seien.
Zunächst haben sich die Kläger auch gegen die erfolgte Aufrechnung gewendet, diesen Teil der Klage dann aber im Erörterungstermin vom 23.01.2012 für erledigt erklärt.
Die Kläger beantragen nunmehr noch,
den Beklagten zu verurteilen, den Änderungsbescheid vom 10.06.2011 in Form des Widerspruchsbescheides vom 01.07.2011 dahingehend abzuändern, dass den Klägern Leistungen gem. SGB II in voller gesetzlicher Höhe gewährt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
Ergänzend macht er geltend, dass das FSJ eine Sozialleistung aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften und kein privat-rechtliches Arbeitsverhältnis sei, aus dem der Arbeitgeber eine Vergütung schulde. Insoweit sei auch kein Erwerbstätigenfreibetrag zu gewähren. Das FSJ ersetze keinen regulären Arbeitsplatz, sondern sei eine zusätzliche soziale Maßnahme in einer Einrichtung.
Im Erörterungstermin am 14.12.2011 haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hi...