Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Zuwendungen Dritter. Schenkung. Darlehen. Notwendigkeit der individuellen Adressierung von Aufhebungsbescheiden. Übergangszeitraum
Leitsatz (amtlich)
1. Schenkungen sind zu berücksichtigendes Einkommen iS von § 11 Abs 1 S 1 SGB 2.
2. Darlehensweise Zuwendungen sind jedenfalls dann zu berücksichtigendes Einkommen iS von § 11 Abs 1 S 1 SGB 2, wenn der Zeitpunkt der Rückzahlungsverpflichtung außerhalb des Zeitraumes liegt, in dem der Betroffene Leistungen nach dem SGB 2 erhält.
3. § 1 Abs 1 Nr 1 AlgIIV statuiert keinen Freibetrag, sondern eine Freigrenze. Überschreitet eine Zuwendung den Betrag von 50 Euro, so ist die Zuwendung in der vollen Höhe zu berücksichtigendes Einkommen iS von § 11 Abs 1 S 1 SGB 2.
Orientierungssatz
1. Einnahmen, die die in § 20 Abs 1 SGB 2 genannten Bedarfe finanzieren sollen, dienen dem gleichen Zweck wie die Leistungen nach dem SGB 2.
2. Krankheitskosten des Arbeitsuchenden, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, sind Bestandteil des Regelbedarfs und aus der Regelleistung zu finanzieren.
3. Der Pauschbetrag für Beiträge zu Privatversicherung nach § 3 Abs 1 Nr 1 AlgIIV ist nicht nur von Erwerbseinkommen, sondern von jeglichem zu berücksichtigenden Einkommen abzusetzen.
4. Bei den Ansprüchen auf Leistungen nach SGB 2 handelt es sich trotz der Konstruktion der Bedarfsgemeinschaft stets um Individualansprüche der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (vgl BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 1). Dies spricht dafür, dass nicht nur die Bewilligungsbescheide individuell adressiert werden müssen, sondern erst Recht Aufhebungs- und vor allem Erstattungsbescheide diesem Umstand Rechnung tragen müssen, wenn die Aufhebungs- und Erstattungsforderung hinsichtlich des auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft entfallenden Betrages, an die der Bescheid nicht adressiert worden ist, nicht schon deshalb rechtswidrig sein soll.
5. Ist die, die Bedarfsgemeinschaft vertretende Person iS des § 38 SGB 2 zugleich gesetzlicher Vertreter der weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (Kinder), so ist eine solche Individualisierung und Adressierung von Aufhebungsbescheiden jedenfalls für eine Übergangszeit entbehrlich.
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 17. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2006 wird insoweit aufgehoben, als die Aufhebungs- und Erstattungsverfügung einen Betrag von 220 Euro übersteigt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu einem Zehntel.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft die Aufhebung der Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II.
Die Beklagte bewilligte der ... geborenen Klägerin sowie als weiteren Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft ihrem ... geborenen Sohn ... und ihrer ... geborenen Tochter ... mit Bescheid vom 14. November 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit vom 8. September 2005 bis zum 28. Februar 2006, und zwar für die Zeit vom 8. September 2005 bis zum 30. September 2005 in Höhe von 183,35 Euro und für die Zeit vom 1. Oktober 2005 bis zum 28. Februar 2006 in Höhe von monatlich 982,84 Euro.
Am 28. Januar 2006 stellte die Klägerin den Antrag auf Fortzahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Sie legte in diesem Zusammenhang Kontoauszüge vor, aus denen u.a. eine Barzahlung in Höhe von 800 Euro am 31. Oktober 2005 ersichtlich ist. Des Weiteren ist eine Bareinzahlung von 300 Euro am 9. Januar 2006 sowie eine Bareinzahlung von 450 Euro am 17. Januar 2006 in den Kontoauszügen verzeichnet.
Mit Bescheid vom 31. Januar 2006 bewilligte die Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 1. März 2006 bis zum 31. August 2006. Sie fragte in dem Bescheid zudem bei der Klägerin an, ob es sich bei den erwähnten Bareinzahlungen um Einkommen handele bzw. woher diese Beträge stammten.
Die Klägerin teilte daraufhin mit Schreiben vom 13. April 2006 der Beklagten mit, dass es sich bei der Bareinzahlung am 31. Oktober 2005 in Höhe von 800 Euro um Geld handele, das sie von ihren Eltern habe ausleihen müssen, um die Miete bezahlen zu können. Bei der Bareinzahlung vom 9. Januar 2006 in Höhe von 300 Euro handele es sich um Geldgeschenke zu Weihnachten. Bei der Bareinzahlung von 17. Januar 2006 in Höhe von 450 Euro handele es sich um von ihren Eltern geliehenes Geld, da sie eine neue Brille benötigt habe.
Mit Bescheid vom 17. Mai 2006 hob die Beklagte ihre Entscheidung über die Bewilligung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 31. Januar 2006 teilweise in Höhe von monatlich 250 Euro auf. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das Geldgeschenk zu Weihnachten auf die Leistungen angerechnet werden müsse.
Am 1. Juni 2006 legte die Klägerin gegen ...