Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss bei längerer stationärer Unterbringung. Justizvollzugsanstalt. Begriff stationäre Einrichtung. Auslegung. Addition von Unterbringungszeiten in unterschiedlichen Einrichtungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei einer Justizvollzugsanstalt handelt es sich um eine stationäre Einrichtung iS des § 7 Abs 4 SGB 2 in der bis zum 31.7.2006 geltenden Fassung.

2. Unterbringungszeiten in unterschiedlichen stationären Einrichtungen sind jedenfalls dann zu addieren, wenn sie sich im wesentlichen nahtlos aneinander anschließen, ohne dass es auf die verschiedenen Zwecke der jeweiligen Unterbringung ankommt.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II.

Der Kläger war vom 11. August 2005 bis zum 24. August 2005 zur stationären Therapie bei der ..., zur Behandlung seiner Drogenabhängigkeit untergebracht. Vom 24. August 2005 bis zum 10. Januar 2006 befand er sich in der Justizvollzugsanstalt ... in Haft. Zum 11. Januar 2006 meldete sich der Kläger beim Einwohnermeldeamt ... ab und meldete sich in ... neu an. Vom 11. Januar 2006 bis zum 28. Juni 2006 befand er sich erneut zur stationären Therapie bei der ....

Am 16. Januar 2006 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach SGB II.

Am gleichen Tag beantragte der Kläger beim Beigeladenen zu 2) Leistungen nach dem SGB XII.

Die Beklagte lehnte den Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II mit Bescheid vom 1. Februar 2006 ab. Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen lägen nicht vor, weil der Kläger bereits seit dem 24. August 2005 und damit länger als sechs Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht sei.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 9. Februar 2006 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Bescheid vom 11. April 2006 als unbegründet zurückwies. Hiergegen richtet sich die am 27. April 2006 erhobene Klage.

Mit Bescheid vom 8. Mai 2006 bewilligte der Beigeladene zu 2) dem Kläger Leistungen in Höhe von 90 € monatlich zu den Kosten der stationären Unterbringung bei der Drogenhilfe in ... für die Zeit vom 16. Januar 2006 bis zum Ende der Maßnahme. Mit Schreiben vom 9. Mai 2006 machte der Beigeladene zu 2) bezüglich des dem Kläger bewilligten Betrages gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Erstattung geltend.

Mit Beschluss vom 25. Oktober 2006 wurde das Job-Center des Landkreises ... beigeladen (Beigeladene zu 1). Dieses hatte dem Kläger mit Bescheid vom 13. Juli 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 29. Juni 2006 bis zum 31. Dezember 2006 gewährt.

Mit Beschluss vom 19. Januar 2007 wurde der Rems-Murr-Kreis - Landratsamt - als Träger der Sozialhilfe beigeladen (Beigeladener zu 2).

Der Kläger ist der Ansicht, dass es sich bei einer Haftanstalt nicht um eine stationäre Einrichtung im Sinne von § 7 Abs. 4 SGB II a.F. handele. Um den von der Bundesagentur für Arbeit gewünschten Einbezug der Justizvollzugsanstalten in diese Regelung zu erreichen, sei es erst erforderlich gewesen, den Gesetzestext so zu ändern, wie es der Gesetzgeber jetzt den Bedürfnissen der Arbeitsagenturen folgend getan habe. Für alle Altfälle wie den vorliegenden gelte, dass eine Justizvollzugsanstalt keine stationäre Einrichtung sei.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 1. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Regelleistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 11. Januar 2006 bis zum 28. Juni 2006 zu zahlen.

hilfsweise,

die Beigeladene zu 1) zu verurteilen, ihm Regelleistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 11. Januar 2006 bis zum 28. Juni 2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, dass für Leistungen der Grundsicherung die Agentur für Arbeit zuständig sei, in deren Bezirk der erwerbsfähige Hilfebedürftige seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe. Da der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt in ... begründet habe, sei die Beklagte für ihn nicht mehr zuständig. Im Übrigen halte sie an ihrer Auffassung fest, dass es sich bei der Justizvollzugsanstalt um eine stationäre Einrichtung im Sinne des § 7 Abs. 4 SGB II a.F. handele. Außerdem sei der Kläger seit dem 28. Juni 2006 im Nachsorgeprogramm einer Wohngruppe in ... untergebracht. Unabhängig von der Rechtsauffassung der Beklagten, dass die Zeit der Strafhaft zu den Zeiten der vollstationären Drogentherapie zu addieren sei, dauere der stationäre Aufenthalt des Klägers damit in der vollstationären Drogentherapie ab dem 11. Januar 2006 länger als sechs Monate.

Hierzu trug der Kläger vor, dass es sich bei der Unterkunft in ... ab dem 28. Juni 2006 um eine Außenwohngruppe der Drogenhilfe ... handele. Dies sei jedoch keine T...

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