Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenkasse. Anspruch gegen Krankenhausträger auf Rückerstattung gezahlter Umsatzsteuer für patientenindividuelle Arzneimittelzubereitungen zur unmittelbaren Anwendung in Ambulanzen des Krankenhauses (Zeitraum 1.8.2010 bis 31.12.2016). öffentlich rechtlicher Erstattungsanspruch. Rheinland-Pfalz. Vereinbarung über die Abgabe verordneter Arzneimittel durch die Krankenhausapotheken an Versicherte nach § 129a SGB 5 vom 1.8.2010. AMPV 2010. Regelung in § 6 Abs 6 AMPV 2010. Bruttopreisabrede. planwidrige Unvollständigkeit. ergänzende Vertragsauslegung. kein Rechtsgrund für Entrichtung von Umsatzsteuer auf den Arbeitspreis
Leitsatz (amtlich)
1. Grundlage für die Rückerstattung von auf patientenindividuelle Arzneimittelzubereitungen zur unmittelbaren Anwendung in Ambulanzen des Krankenhauses entrichteter, tatsächlich materiell-rechtlich jedoch nicht geschuldeter, Umsatzsteuer ist der öffentliche-rechtliche Erstattungsanspruch.
2. Bei § 6 Abs 6 der zwischen dem Landesverband Deutscher Krankenhausapotheker Rheinland-Pfalz eV und dem BKK-Landesverband Rheinland-Pfalz und Saarland, der LKK Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland, den Ersatzkassen in Rheinland-Pfalz sowie der Knappschaft-Regionaldirektion Saarbrücken abgeschlossenen Vereinbarung vom 1.8.2010 über die Abgabe verordneter Arzneimittel durch die Krankenhausapotheken an Versicherte nach § 129a SGB V (künftig: AMPV 2010) handelt es sich um eine Bruttopreisabrede.
3. Der § 6 Abs 6 AMPV 2010 weist eine durch die Vertragsparteien nicht bedachte Unvollständigkeit auf.
4. Die gebotene ergänzende Vertragsauslegung des § 6 Abs 6 AMPV 2010 führt zu dem Ergebnis, dass den nach § 6 Abs 3 S 1 AMPV 2010 ermittelten Preisen die nach dem Apothekeneinkaufspreis gemäß ABDA-Artikelstamm/Lauer-Taxe zu berechnende Vorsteuer hinzuzusetzen, im Übrigen aber eine Umsatzsteuer auf den Arbeitspreis bzw die Arzneimittelzubereitung als solche nicht zu entrichten ist.
5. Ein Rechtsgrund für die nach § 6 Abs 6 AMPV 2010 auf den Arbeitspreis (§ 6 Abs 3 S 2 AMPV 2010) entrichtete Umsatzsteuer entfällt damit.
Nachgehend
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 18.855,41 € nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1597,90 € seit dem 30.12.2014, aus 8731,45 € seit dem 17.12.2016, aus 12.069,75 € seit dem 20.10.2017 und aus 18.855,41 € seit dem 09.11.2018 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird für die Zeit vom 29.12.2014 bis zum 15.12.2016 auf 59.477,86 €, für die Zeit vom 16.12.2016 bis zum 18.10.2017 auf 161.719,75 €, für die Zeit vom 19.10.2017 bis zum 07.11.2018 auf 209.731,18 € und für die Zeit ab dem 08.11.2018 auf 315.278,27 € festgesetzt.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Rückerstattung der für individuell hergestellte Arzneimittel gezahlten Umsatzsteuer streitig.
Die Beklagte betreibt ein nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenes Vertragskrankenhaus.
Das von der Beklagten betriebene Krankenhaus stellt in seiner hauseigenen Apotheke patientenindividuelle Arzneimittel her, die dann u.a. zur ambulanten Behandlung der Patienten im Krankenhaus abgegeben werden.
Die Abgabe dieser Arzneimittel an die Versicherten der Klägerin zur ambulanten Behandlung im Krankenhaus erfolgte für die Zeit ab dem 05.05.2004 auf Basis einer Vereinbarung gemäß § 129 Buchst. a SGB V über die Abgabe von Arzneimitteln der Krankenhausapotheke an Versicherte gemäß § 14 Abs. 4 ApothG vom 05.05.2004 (künftig: AMPV 2004).
Der Vertrag wurde zwischen dem Landesverband Deutscher Krankenhausapotheker Rheinland-Pfalz e.V. und dem AEV-Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e.V. sowie dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V., durch welche u.a. die Klägerin vertreten wurde, abgeschlossen.
In der Vereinbarung war u.a. geregelt:
„§ 5 Abs. 2:
„Im Einzelnen sind folgende Preise von der Ersatzkasse zu zahlen:
- Fertigarzneimittel: AEK + Mehrwertsteuer-Zuzahlung
- ausgeeinzelte Fertigarzneimittel: AEK der Teilmenge + Mehrwertsteuer
- Zubereitungen für Zytostatika, Antibiotika, Virustatika, Schmerzlösungen, Calciumfolinat und parenterale Ernährung:
Die Berechnung erfolgt vergleichbar der Hilfstaxe nach folgender Formel:
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Position 1 |
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AEK (Arzneimittel)./. 2 % |
Position 2 |
+ |
AEK (Trägerlösung)./. 2 % |
Position 3 |
+ |
AEK (Pumpe, Kassette, sonstige Applikationshilfen, (z.B. Spezialinfusionssysteme) |
Position 4 |
+ |
Mehrwertsteuer der Summe Position 1-3 |
Position 5 |
+ |
Arbeitspreis |
Position 6 |
- |
Zuzahlung (pro Zeile). |
Ein Arbeitspreis ist ausdrücklich nur für Zubereitungen von Zytostatika (ATC Gruppe L01), Antibiotika, Virustatika, Schmerzlösungen und parenterale Ernährungslösungen berechnungsfähig.
Er beträgt pro applikationsfertige Einheit 16,00 € für die erste Zubereitung und 6 € für jede weitere Zubereitung eines Behandlungszyklus.
§ 5 Abs. 3:
Der abgerechnete Preis darf den Apothekenabgabepreis einer öffentlichen Apotheke zu ...