Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer in den ersten 3 Monaten des Aufenthalts auch bei Ehegattennachzug. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 2 für die ersten drei Monate des Aufenthaltes umfasst auch alle Ausländer, die als Familienangehörige eines Deutschen in das Bundesgebiet einreisen.
2. Das Zusammenleben mit dem Deutschen in einer Bedarfsgemeinschaft ändert daran nichts.
3. Der Leistungsausschluss verletzt nicht die staatliche Schutzpflicht aus Art 6 Abs 1 GG und auch nicht das in dieser Norm zum Ausdruck kommende Diskriminierungsverbot. Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, einem zuziehenden ausländischen Ehegatten vom ersten Tag seiner Einreise an einen Anspruch auf Sozialleistungen zu gewähren. Das Ziel der Begrenzung des Zuzugs von Ausländern und der zeitlich begrenzte Schutz vor Inanspruchnahme staatlicher Sozialleistungen durch Zuwanderer sind im Rahmen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums beachtliche, von Verfassungs wegen mit erheblichem Gewicht ausgestattete Sachgründe.
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 24.01.2011 bis zum 23.04.2011.
Der am ...1988 geborene Antragsteller ist irakischer Staatsangehöriger und zog nach eigenen Angaben am 24.01.2011 zwecks Familienzusammenführung mit seiner deutschen Ehefrau - die Ehe wurde am ...2010 in der Syrischen Arabischen Republik in Damaskus geschlossen (Blatt 21 bis 24 der SG-Akte) - F. (geboren am ...1990 in Bagdad) in das Bundesgebiet zu. Seine Ehefrau und deren Eltern stehen seit längerem beim Antragsgegner im SGB II-Leistungsbezug. Der Antragsteller ist im Besitz einer bis zum ...2014 befristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG).
Unter dem 04.02.2011 beantragte die Ehefrau des Antragstellers beim Antragsgegner, “ihre Leistungen und die ihres Ehemannes„ künftig auf ihr Konto zu überweisen. Ihrem Schreiben waren die vom Antragsteller unterschriebenen Anlagen “WEP„, “EK„ und “VM„ beigefügt. Unter dem 04.02.2011 zeigte der Schwiegervater des Antragstellers (S. F.) dem Antragsgegner zudem an, dass der Antragsteller am 24.01.2011 bei ihm eingezogen sei. Am 28.02.2011 teilte die Ehefrau des Antragstellers dem Antragsgegner persönlich mit, dass sie und der Antragsteller derzeit noch bei ihren Eltern lebten aber beabsichtigten, demnächst in eine eigene Wohnung zu ziehen. Eine konkrete Arbeitsstelle habe ihr Mann nicht in Aussicht. Nach Einreichung weiterer Unterlagen stellte die Ehefrau des Antragstellers unter dem 28.02.2011 beim Antragsgegner einen förmlichen Leistungsantrag.
Mit Bescheid vom 28.02.2011 bewilligte der Antragsgegner der Ehefrau des Antragstellers für die Zeit vom 01.03.2011 bis 31.08.2011 und dem Antragsteller für die Zeit vom 24.04.2011 bis 31.08.2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Der Bescheid enthält den Hinweis, dass der Antragsteller gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II für die ersten drei Monate seines Aufenthaltes in Deutschland keinen Anspruch auf Leistungen habe; gleichwohl bilde der Antragsteller seit seinem Einzug in die Wohnung seiner Ehefrau mit dieser eine Bedarfsgemeinschaft. Hiergegen hat der Antragsteller unter dem 04.03.2011 Widerspruch erhoben, über den noch nicht entschieden ist. Zur Begründung führt er an, dass er sich wegen des Familiennachzugs in Deutschland aufhalte, so dass er “kein Ausländer im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II„ sei.
Unter dem 04.03.2011 hat der Antragsteller - vertreten durch seine Ehefrau - beim beschließenden Gericht einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt.
Zur Begründung weist er darauf hin, dass er sich seit dem 24.01.2011 im Bundesgebiet aufhält und vom Antragsgegner keine Leistungen erhält.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Antragsgegner zu verpflichten, ihm für die Zeit ab dem 24.01.2011 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er hält seine Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
1. Das Gericht hat den Eilantrag zunächst dahingehend ausgelegt (§ 123 Sozialgerichtsgesetz [SGG] analog), dass der Antragsteller für die Zeit von seiner Einreise in das Bundesgebiet an (24.01.2011) bis zum 23.04.2011 vorläufig Leistungen nach dem SGB II begehrt. Denn für die Zeit ab dem 24.04.2011 bis zum 31.08.2011 hat der Antragsgegner ihm bereits Grundsicherungsleistungen bewilligt (Bewilligungsbescheid vom 28.02.2011).
2. Der ...