Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht. Merkzeichen aG. mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung. Mindest-GdB von 80

 

Orientierungssatz

Die Zuerkennung des Merkzeichens aG (außergewöhnliche Gehbehinderung) erfordert nach § 146 Abs 3 S 1 SGB 9 neben einer erheblichen mobilitätsbezogenen Teilhabebeeinträchtigung, dass diese einem Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 80 entspricht.

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Zuerkennung des Merkzeichens aG (außergewöhnliche Gehbehinderung).

Die im Jahr 1937 geborene Klägerin beantragte erstmals am 29.09.1976 die Zuerkennung eines Grades der Behinderung (GdB). Zuletzt betrug der GdB 80 aufgrund des Bescheides vom 18.12.2013 und es wurde bereits das Merkzeichen G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) festgestellt.

Die Klägerin beantragte am 23.06.2016 die Zuerkennung des Merkzeichens aG. Die Beklagte zog Befundberichte der behandelnden Ärzte bei. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 108 bis 109 der Verwaltungsakte verwiesen. Dr. K. kam in einer versorgungsmedizinischen Stellungnahme vom 17.11.2016 zum Ergebnis, dass die Gehstrecke am Rollator noch ca. 400 bis 500 Meter betrage und daher die Voraussetzungen für das Merkzeichen aG nicht vorlägen. Die Beklagte lehnte daraufhin die Zuerkennung des Merkzeichen aG mit Bescheid vom 15.12.2016 ab.

Die Klägerin erhob hiergegen am 30.12.2016 Widerspruch und führte zur Begründung aus, dass sie oftmals infolge der Enge auf den Parkplätzen ihren Rollator nicht in den Kofferraum laden könne. Auch müsse sie öfters auf Besuche von Veranstaltungen oder Ausstellungen verzichten, da die öffentlichen Parkplätze im Unterschied zu den Behindertenparkplätzen zu weit entfernt seien. Auch beim Besuch eines Thermalbads benutze sie fast immer den Parkplatz eines Hotels, da der Weg kürzer sei, als von den Parkplätzen des Thermalbads. Sie werde daher durch die fehlende Parkerlaubnis für Behinderte benachteiligt. Auch seien ihre Hüften defekt und in beiden Kniegelenke habe sie künstliche Gelenke. Ihr Aktionsradius sei in den letzten Jahren deutlich kürzer geworden. Das Gehen sei für sie sehr beschwerlich.

Die Beklagte zog einen Befundbericht der behandelnden Orthopädin Dr. E. bei. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 124 der Verwaltungsakte verwiesen. Dr. M-T. kam in einer versorgungsmedizinischen Stellungnahme vom 20.04.2017 zum Ergebnis, dass die Gehstrecke als Kriterium für aG nicht geeignet sei. Eine Abhilfe könne nicht erfolgen. Die geltend gemachten Funktionsbeeinträchtigungen seien wie folgt zu bewerten:

1. Hauterkrankung (in Heilungsbewährung) GdB 50,

GdB 50

2. Gebrauchseinschränkung beider Beine, Kniegelenkstotalendoprothese beidseits, Polyarthrose GdB 40,

GdB 40

3. Degenerative Veränderung der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen GdB 20,

GdB 20

4. Sarkoidose GdB 20,

GdB 20

5. Bluthochdruck GdB 10,

GdB 10

6. Schwindel GdB 10,

GdB 10

7. Funktionsbehinderung des linken Handgelenks GdB 10,

GdB 10

8. Refluxkrankheit der Speiseröhre GdB 10.

GdB 10

Der GdB betrage insgesamt 80.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10.05.2017 zurück und führte zur Begründung aus, dass gemäß § 146 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) eine mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung, die einem GdB von 80 entspreche, nicht vorliege. Der Klägerin sei es auch noch möglich, kurze Gehstrecken zu bewältigen. Das eingeschränkte Gehvermögen sei mit dem Merkzeichen G angemessen bewertet.

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 07.06.2016, eingegangen bei der Beklagten am 13.06.2016, erneut Widerspruch erhoben und auf Nachfrage der Beklagten mitgeteilt, dass das Schreiben als Klage zu werten sei. Die Klägerin hat zur Klagebegründung vorgetragen, dass ihr Alltag nur sehr schwer zu bewältigen sei und die begehrte Parkerlaubnis eine große Erleichterung darstelle. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 2 bis 4 der Gerichtsakte verwiesen.

Die Klägerin beantragt sachdienlich gefasst,

den Bescheid vom 15.12.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2017 aufzuheben und ihr das Merkzeichen aG ab dem 23.06.2016 zuzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat zur Klageerwiderung auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid verwiesen.

Das Gericht hat die behandelnden Ärztin Dr. E., Fachärztin für Orthopädie, als sachverständige Zeugin schriftlich vernommen. In ihrer sachverständigen Zeugenaussage vom 04.11.2017 hat Dr. E. mitgeteilt, dass sie eine Coxarthrose beidseits, rechts fortgeschrittener als links, eine Glutealinsuffizienz links, ein Zustand nach Oberschenkelfraktur links 1965, einen Trochanterhochstand links, einen Zustand nach KTP - Implantation beidseits 2010 sowie chronisch - rezidivierende Lumbalgien diagnostiziert habe. Sie teile die Auffassung des versorgungsärztlichen Dienstes. Die Klägerin könne sich auch oh...

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