Entscheidungsstichwort (Thema)
Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg. Rechtswidrigkeit der Honorarkürzungen auf der Grundlage der Konvergenzvereinbarung zum 1.1.2009 bei sogenannten Gewinnerpraxen. Fristversäumnis bei Zuweisung des Regelleistungsvolumens für erstes Quartal 2009 bleibt sanktionslos. Nichtanwendung des § 87 Abs 5 S 4 SGB 5 bei erstmaliger Zuweisung
Leitsatz (amtlich)
1. Honorarkürzungen auf Grundlage der in Baden-Württemberg zum 1.1.2009 abgeschlossenen Konvergenzvereinbarung sind rechtswidrig.
2. Die Fristversäumnis bei Zuweisung des Regelleistungsvolumen für das erste Quartal 2009 bleibt sanktionslos. § 87b Abs 5 S 4 SGB 5 ist auf den Fall der erstmaligen Zuweisung des Regelleistungsvolumen nicht anwendbar.
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung der Honorarbescheide für die Quartale I/2009 und II/2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.11.2010 verurteilt, über die Honoraransprüche des Klägers für die Quartale I/2009 und II/2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Tatbestand
Im Streit stehen die rechtzeitige Zuweisung des Regelleistungsvolumen (RLV) für das Quartal I/2009 sowie Honorarkürzungen auf Grundlage der sogenannten Konvergenzvereinbarung in den Quartalen I/2009 und II/2009.
Der Kläger ist als Facharzt für Neurologie und Psychiatrie in K. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Am 23.12.2008 ging dem Kläger der Bescheid der Beklagten über die Zuweisung des RLV für das Quartal I/2009 zu. Mit diesem Bescheid wurde dem Kläger ein RLV in Höhe von ... € zugewiesen.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 30.12.2008, eingegangen bei der Beklagten am 02.01.2009, Widerspruch ein. Das RLV sei zu niedrig bemessen.
Mit Bescheid vom 07.10.2009 setzte die Beklagte das Honorar des Klägers für das Quartal I/2009 in Höhe von insgesamt ... € fest. Dabei wurde das RLV mit ... € ausgewiesen. Dieses RLV hat der Kläger um einen Betrag in Höhe von 714,95 € überschritten. Insoweit stand dem Kläger laut Honorarabrechnung eine Vergütung mit abgestaffelten Preisen in Höhe von insgesamt 149,28 € zu. Neben den Leistungen innerhalb und außerhalb des RLV wurden freie Leistungen und Einzelleistungen vergütet. Von dem so errechneten Gesamthonoraranspruch zog die Beklagte sodann einen Betrag in Höhe von 24.876,35 € ab. Diesen Betrag errechnete die Beklagte aus der Differenz zwischen dem Honorar des Klägers für das Quartal I/2008 (abzüglich Laborleistungen, Kosten, Wegegebühren, Leistungen genehmigungspflichtiger Psychotherapie, Einzelleistungen, HzV-Bereinigungsbetrag) und dem sogenannten Grenzwert für den Honorarzuwachs. Letzterer wurde bei 105 % des Honorars des Klägers für das Quartal I/2008 angesetzt.
Die Honorarkürzung stützte die Beklagte auf die am 09.11.2009 mit Wirkung zum 01.01.2009 zwischen der Beklagten und den Krankenkassen abgeschlossene “Vereinbarung über Verfahrensregelungen zur Vermeidung von überproportionalen Honorarverlusten, bedingt durch die Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung in 2009 (Konvergenzvereinbarung)„. Nach § 2 Ziff. 1 dieser Vereinbarung erfolgt eine Ausgleichszahlung, wenn sich das Honorar einer Arztpraxis und das Honorar je Fall für ambulant erbrachte Leistungen der Morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (≪MGV≫, ohne Laborleistungen und -kosten des Kapitels 32 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes ≪EBM≫, Kosten und Wegegebühren, Leistungen des Kapitels 35.2 EBM) um mehr als 5 % gegenüber dem Vorjahresquartal - bezogen auf die im entsprechenden Quartal des Jahres 2009 gültige Definition der Leistungsbereiche - verringert. Die Ausgleichszahlung wird bis 95 % des Fallwertes, maximal jedoch bis 95 % des Honorars, jeweils bezogen auf das entsprechende Vorjahresquartal und den nach 1. definierten Leistungsbereichen, geleistet (§ 2 Ziff. 2 Satz 1 der Konvergenzvereinbarung). Voraussetzung für eine Ausgleichszahlung ist, dass das RLV der betroffenen Arztpraxis ausgeschöpft ist (§ 2 Ziff. 2 Satz 2 der Konvergenzvereinbarung). Honorarsteigerungen im Bereich der Leistungen außerhalb der MGV sowie der Leistungen des Kapitels 35.2 EBM werden nach § 2 Ziff. 3 der Konvergenzvereinbarung mit dem Ausgleichsbetrag verrechnet, wobei dies nicht für Leistungen aus Selektivverträgen gilt. Unter § 2 Ziff. 7 der Konvergenzvereinbarung heißt es:
“Die Ausgleichszahlung nach 2. wird quartalsweise unter Berücksichtigung der nachfolgenden Bestimmungen durch die KVBW im Rahmen der Honorarverteilung sichergestellt:
a) Zur Finanzierung der Ausgleichszahlungen nach 2. werden die Honorarumsätze derjenigen Praxen einer Quotierung zugeführt, deren Honorarumsätze für Leistungen der Morbiditätsorientierten Gesamtvergütung (ohne Laborleistungen und -kosten des Kapitels 32 EBM, Kosten und Wegegebühren, Leistungen nach Kap. 35.2 EBM) im aktuellen Abrechnungsquartal um 5 % über den e...