Prof. Dr. Volker Wahrendorf
Rz. 2
Die ambulante spezialfachärztliche Versorgung (in offizieller Kurzform ASV genannt) ist ein Angebot für in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Patientinnen und Patienten mit komplexen, schwer therapierbaren Erkrankungen. Sie stellt eine besondere fachärztliche Versorgungsform außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung dar, die sich auf die Diagnostik und Behandlung dieser Krankheiten erstreckt, die je nach Art der Krankheit eine spezielle Qualifikation der Leistungserbringer, eine interdisziplinäre Kooperation und besondere Ausstattungen erfordern. Sie bezieht sich insbesondere auf gesetzlich vorgegebene bzw. durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) in den Anlagen der ASV-Richtlinie definierte und konkretisierte
- Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen (Anlage 1.1),
- schwere Verlaufsformen von Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen (Anlage 1.2),
- seltene Erkrankungen und Erkrankungszustände mit entsprechend geringen Fallzahlen (Anlage 2) oder
- auf hochspezialisierte Leistungen (Anlage 3).
Ziele der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung sind zum einen die Optimierung der Patientenversorgung bei den definierten und konkretisierten Erkrankungen sowie wohnortnahe Leistungen mit spezialfachärztlichem Versorgungsbedarf und zum anderen Synergieeffekte und Kosteneinsparungen, insbesondere durch Vermeidung stationärer Krankenhausaufenthalte und von Kosten, welche bei einer anderen Art der ambulanten oder stationären Krankenbehandlung der definierten Krankheiten ggf. durch Komplikationen und Folgeerkrankungen entstehen können. Zu diesem Zweck arbeiten spezialisierte Ärztinnen und Ärzte verschiedener Fachrichtungen in einem Team zusammen und übernehmen gemeinsam und koordiniert die Diagnostik und Behandlung der Patientinnen und Patienten. Die ASV kann von zugelassenen Krankenhäusern sowie niedergelassenen Fachärztinnen und Fachärzten und medizinischen Versorgungszentren (MVZ) angeboten werden, wenn sie die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen.
Nach der Vorschrift ist eine ASV grundsätzlich möglich für Patientinnen und Patienten mit den vorgenannten Erkrankungen, bzw. wenn hochspezialisierte Leistungen notwendig sind.
Vor dem 1.1.2004 waren Diagnostik und Behandlung dieser Krankheiten streng getrennt durchgeführt worden, entweder ambulant oder stationär, und meistens nicht interdisziplinär im Sinne einer Teamorientierung oder Kooperation; die zum 1.1.2004 eingeführte Vorschrift hatte zunächst durch die Öffnung bestimmter Krankenhäuser für die ambulante Versorgung schrittweise einen sektorenübergreifenden Versorgungsbereich eingerichtet und durch die Vorgaben des mit Wirkung zum 1.1.2012 eingeführten Versorgungsbereichs der ASV sollen die notwendigen Leistungen noch gezielter, qualitativ hochwertiger und auch wohnortnah erbracht werden.
Rz. 3
Wesentliche Elemente des bis zum 31.12.2011 geltenden § 116b, welcher mit der Überschrift "Ambulante Behandlung im Krankenhaus" getitelt war, sind in die Nachfolgevorschrift des § 116b übernommen worden. Nach dem neuen Titel "Ambulante spezialfachärztliche Versorgung" steht die ASV als Leistung im Zentrum der Vorschrift und nicht mehr das Krankenhaus als zunächst alleiniger Leistungserbringer. Dies ergibt sich bereits aus Abs. 1 der Vorschrift, in dem komplexe, schwer therapierbare Krankheiten für die ASV aufgeführt sind, wobei aber an den Wörtern "insbesondere" und "wie" deutlich wird, dass diese Aufzählung nicht abschließend sein soll, sondern durch den G-BA erweitert werden kann. Die Vorschrift bezieht sich auch auf Vertragsärzte, Vertragspsychotherapeuten, zugelassene medizinische Versorgungszentren, die als Leistungserbringer den Krankenhäusern gleichgestellt sind, wenn sie Leistungen der ASV erbringen und alle Voraussetzungen und Anforderungen erfüllen, die an die Leistungserbringung durch die Vorschrift bzw. durch die nach Abs. 4 beschlossene Richtlinie des G-BA gestellt sind. In der Praxis wird die ASV aber meist noch in den auf die jeweilige Krankheit bezogenen Behandlungsschwerpunkten erbracht, die oftmals in entsprechend spezialisierten Krankenhäusern vorgehalten werden.
Rz. 4
Nicht mehr enthalten ist die Bestimmung, dass die zugelassenen Krankenhäuser für die strukturierten Behandlungsprogramme für chronisch Kranke (vgl. § 137g und § 266 Abs. 7) durch Verträge mit der Krankenkassenseite geöffnet werden konnten. Diese Regelung hatte keine praktische Bedeutung erlangt, weil für sie kein Bedarf bestand. Die erkennbare Absicht des Gesetzgebers, durch eine alternative Öffnung der Krankenhäuser die strukturierten Behandlungsprogramme für chronisch Kranke in Gang zu bringen, falls die niedergelassenen Vertragsärzte nicht in die Behandlungsprogramme eingestiegen wären, ist aufgegangen. Die Behandlungsprogramme für chronisch Kranke werden inzwischen bundesweit und so umfassend von den Vertragsärzten oder den zugelassenen medizinischen Versorgungszentren nach den Vorgaben in den Richtlinien des G-BA nach § 137f durchgeführt, dass die dafür...