Rz. 16
Abs. 4 regelt als Besonderheit, dass beim Vertrag über die integrierte Versorgung von den Vorschriften des Vierten Kapitels, vom Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und vom Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) bzw. den dazu ergangenen Regelungen insoweit abgewichen werden darf, als die Abweichung mit dem Sinn und der Eigenart der integrierten Versorgung übereinstimmt, die Qualität, Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der integrierten Versorgung verbessert werden oder die Abweichung aus sonstigen Gründen zur Durchführung der integrierten Versorgung notwendig ist. Die gesetzlich mögliche Abweichung ist also mit Bedingungen versehen, die jedoch weit gefasst sind. In anderen Fällen, weil z. B. durch die integrierte Versorgung ausschließlich eine höhere Vergütung als in der Regelversorgung oder eine kontraproduktive Mengenausweitung im Krankenhaus erzielt werden sollen, ist ein Abweichen von den genannten Gesetzesvorschriften bzw. sonstigen Bedingungen aber grundsätzlich nicht erlaubt.
Rz. 17
Ein Abweichen vom Vierten Kapitel erlaubt es z. B., die Vergütung der Leistungen anders als in § 87a vorgesehen zu gestalten, darüber die Wirtschaftlichkeit der Versorgung zu steigern und gleichzeitig die Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 zu vermeiden. Dies kann z. B. bei chronisch oder pflegebedürftig Kranken durch eine Vergütungspauschale pro Quartal geschehen, die zusätzlich zu den Leistungen der Regelversorgung gezahlt wird. Ebenso ist es in der integrierten Versorgung möglich, neue Wege der Heil- und Hilfsmittelversorgung zu wählen, um die Versorgungsqualität zu erhöhen und die Wirksamkeit der Hilfsmittelversorgung zu verbessern. Der gesetzliche Freiraum sollte von den Vertragspartnern flexibel und kreativ genutzt und für die integrierte Versorgung Gewinn bringend eingesetzt werden.
Die Nichtgeltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität (§ 71) für Integrationsverträge, die bis 31.12.2008 abgeschlossen worden waren, kennzeichnete den großen Spielraum, der den Vertragspartnern bei Einführung der integrierten Versorgung zur Verfügung stand. Dieser Schritt war nach der Gesetzesbegründung mit Rücksicht darauf erfolgt, dass die Vertragspartner der Krankenkassen bei Einführung der integrierten Versorgung ein unternehmerisches Risiko eingehen und unter Umständen erhebliche Investitionskosten aufbringen mussten. Dies gilt nach wie vor, insbesondere für die Konzeption und Ausarbeitung der Rechtsform der Gemeinschaft bzw. des Versorgungsnetzes, die Organisation innerhalb des Netzes (Betriebs-, Qualitäts- und Leistungsmanagement) und die Sektoren übergreifende Gestaltung des Versorgungsprozesses. Die Nichtgeltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität galt nur für die Startphase der integrierten Versorgung und erstreckte sich auf solche Verträge, die bis 31.12.2008 abgeschlossen wurden, dem Zeitpunkt, an dem auch die Anschubfinanzierung nach § 140d endete. Sie eröffnete der Krankenkasse die rechtliche Möglichkeit, zusätzliche finanzielle Mittel einzusetzen, die das Zustandekommen der Verträge über integrierte Versorgung fördern bzw. Hemmnisse und Defizite bei der integrierten Versorgung beseitigen.
Rz. 18
Abs. 4 Satz 3 regelt die Möglichkeit, dass für die Durchführung der integrierten Versorgung davon abgesehen wird, die Leistungserbringung an den Zulassungs-, Ermächtigungs- oder sonstigen Berechtigungsstatus der beteiligten Leistungserbringer zu binden. Der Grund dafür ist, dass die Leistungserbringer nicht die bisherigen sektorenbezogenen Grenzen für die Versorgung der Versicherten in der integrierten Versorgung hinnehmen sollen. Damit wird die Leistungserbringung im Rahmen der integrierten Versorgung nicht durch bestehende Zulassungsschranken behindert. Dabei hat aber auch in der integrierten Versorgung die medizinische Orientierung des Leistungsgeschehens Priorität. Die Freistellung von Zulassungsschranken lässt zu, dass innerhalb des Vertrages zur integrierten Versorgung z.B. Anstrengungen zur Qualitätssicherung und zur optimierten, sektorenübergreifenden Arbeitsteilung unter Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsgesichtspunkten unternommen werden können, und zwar ohne Berücksichtigung darauf, ob der jeweilige Leistungserbringer für die Leistungserbringung auch zugelassen oder ermächtigt ist. Die Grenze bei der Leistungserbringung zieht aber natürlich das jeweilige Berufsrecht, so dass z.B. ein beteiligter Augenarzt auch in der integrierten Versorgung keine internistischen Leistungen erbringen darf. Dagegen kann ein ermächtigter Krankenhausarzt über seinen Ermächtigungsumfang hinaus zusätzliche ambulante Leistungen erbringen, die mit seinem Berufsrecht übereinstimmen. Diese Ausnahmeregelung gilt nur innerhalb eines bestehenden Vertrages über integrierte Versorgung und erstreckt sich nicht auf den Vertragsabschluss. Bei Vertragsabschluss können die Beteiligten nämlich nicht über einen ihnen nicht zustehenden fremden Zulassungsstatus verfügen und sich diesen Status über den Vertrag aneignen. Das Leistungsfeld der inte...