Rz. 4
Abs. 1 Satz 1 definiert digitale Gesundheitsanwendungen als Medizinprodukte niedriger Risikoklasse, deren Hauptfunktion wesentlich auf digitalen Technologien beruht und die dazu bestimmt sind, bei den Versicherten oder in der Versorgung durch Leistungserbringer die Erkennung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten oder die Erkennung, Behandlung, Linderung oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen zu unterstützen. Damit orientiert sich diese Definition zwar im Kern an der (deutlich weiteren) Begriffsbestimmung in § 3 Medizinproduktegesetz (MPG) und Art. 2 der VO.(EU) 2017/745. Danach werden unter dem Begriff Medizinprodukt eine Vielzahl unterschiedlicher Instrumente, Vorrichtungen, Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen oder anderen Gegenständen einschließlich der für ein einwandfreies Funktionieren eingesetzten Software bzw. der Software selbst verstanden (Bergmann/Pauge/Steinmeyer, Gesamtes Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, § 3 MPG Rz. 2). § 33a beschränkt jedoch diese weite Begriffsbestimmung gesteuert von deren Hauptfunktion, als bei dem Einsatz durch die Versicherten, bei der Interaktion der Versicherten mit den Leistungserbringern oder der Interaktion mit weiteren Medizinprodukten die Hauptfunktion des Medizinproduktes durch digitale Technologien umgesetzt sein muss. Eine Ergänzung oder Steuerung anderer Medizinprodukte allein reicht nicht aus (BT-Drs. 19/13438 S. 44).
Rz. 4a
Zur Konkretisierung des Medizinproduktes als ein solches "niedriger Risikoklasse" verweist Abs. 2 auf Art. 51 der Verordnung (EU) 2070/745. Nach dessen Abs. 1 werden die Produkte unter Berücksichtigung ihrer Zweckbestimmung und der damit verbundenen Risiken in die Klassen I, IIa, IIb und III eingestuft. Für die weitere Klassifizierung verweist Art. 51 Abs. 1 der Verordnung wiederum auf die Anlage VIII der Verordnung, in deren Kapitel III 4. bis 7.9 ein Normgerüst von 22 Regeln für die Einordnung des jeweiligen Produktes abgebildet ist. Dabei werden nicht invasive Produkte (III 4.), invasive Produkte (III 5.) sowie aktive Produkte (III 6.) unterschieden. Relevant ist dabei insbesondere die Einordnung von Software. Kontrolliert oder beeinflusst die Software ein anderes Medizinprodukt, fällt es in die gleiche Klasse wie das Medizinprodukt. Stand-Alone-Software dagegen ist unabhängig zu klassifizieren. Insbesondere Software, die dazu gedacht ist, Informationen zur Verfügung zu stellen, die wiederum genutzt werden sollen, um Entscheidungen mit Bezug zu Diagnose oder Behandlung zu treffen, fällt nur dann in die niedrigere Risikoklasse IIa, wenn sie weder direkt noch indirekt ernste Gesundheitsstörungen verursachen könnte. Ist die Software dazu gedacht, physiologische Prozesse zu überwachen, fällt sie nur dann in die niedrige Risikoklasse IIa, wenn Veränderungen von Vitalparametern nicht zur unmittelbaren Gefahr für Patientinnen und Patienten werden können (BT-Drs. 19/13438 S. 44).
Rz. 5
Abs. 2 HS 1 betrifft dabei Produkte, die bereits einer Risikoklasse I oder IIa zugeordnet und in Verkehr gebracht worden sind. Art. 120 Abs. 3 der Verordnung sieht vor, dass Medizinprodukte für eine Übergangszeit nach dem ursprünglich beabsichtigten Anwendungsbeginn der Verordnung am 26.5.2020 ihre Verkehrsfähigkeit behalten, sofern sie auch nach bisher geltendem Recht bereits ein Konformitätsbewertungsverfahren bei einer benannten Stelle durchlaufen haben. Abs. 2 HS 2 ist im Gesetzgebungsverfahren vom 14. Ausschuss mit der Begründung angefügt worden, es stehe zu befürchten, dass aufgrund der Anzahl und der Kapazitäten benannter Stellen bei Inkrafttreten der Verordnung kaum Medizinprodukte bereits nach geltendem Recht zertifiziert seien. Deswegen werden von dem Leistungsanspruch nach § 33a auch solche Anwendungen erfasst, die noch nach geltendem Recht als Medizinprodukte der Risikoklasse IIa zertifiziert waren. Da die Verordnung EU (VO) 2017/745 eine Übergangsregelung für Medizinprodukte der Klasse I nicht vorsieht, stellt die Ergänzung klar, dass Medizinprodukte der bisherigen Risikoklasse I auch von dem Leistungsanspruch erfasst sein können, wenn durch eine Anpassung des europäischen Medizinprodukterechts künftig eine Übergangsregelung für entsprechende Medizinprodukte geschaffen wird (BT-Drs. 19/14867 S. 92 f.). Nachdem der Anwendungsbeginn der Verordnung verschoben wurde, hat der Gesetzgeber durch Art. 15 Abs. 4 des Zweiten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite v. 19.5.2020 (vgl. Rz. 1a) reagiert. Das bisherige Medizinproduktegesetz wirkt fort. Die bestehende Regelung wurde entsprechend ergänzt, um zu gewährleisten, dass unabhängig davon digitale Medizinprodukte der bisherigen Risikoklasse I und IIa, die nach bestehendem Recht verkehrsfähig sind und dies für einen verlängerten Zeitraum bis zum Inkrafttreten der Verordnung (EU) 2017/745 nach Maßgabe des geltenden Medizinprodukterechts bleiben, von dem Leistungsanspruch nach § 33a Abs. 1 erfasst sind.