0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift wurde durch Art. 1 Nr. 31 des Gesetzes zum Schutz elektronischer Patientendaten in der Telematikinfrastruktur (Patientendaten-Schutz-Gesetz – PDSG) v. 14.10.2020 (BGBl. I S. 2115) mit Wirkung zum 20.10.2020 in das SGB V eingefügt. Das PDSG hat mit den neuen Kapiteln 11 und 12 die bisherigen Regelungen zur Telematikinfrastruktur übernommen und umfassend neu strukturiert. Ferner werden sie weiterentwickelt und im Hinblick auf die datenschutzrechtlichen Vorgaben differenziert ausgestaltet. § 344 regelt die Voraussetzungen für eine wirksame Einwilligung der Versicherten in die Einrichtung der elektronischen Patientenakte und die hierauf begründete Zulässigkeit der Datenverarbeitung.
Rz. 1a
Art. 1 Nr. 46 des Gesetzes zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (Digital-Gesetz – DigiG) v. 22.3.2024 (BGBl. I Nr. 101) hat die Vorschrift mit Wirkung zum 15.1.2025 umfangreich geändert. Die Überschrift wird zu diesem Zeitpunkt an die widerspruchsbasierte Patientenakte angepasst.
Abs. 1
Die Krankenkassen legen elektronische Patientenakten an und stellen diese ihren Versicherten bereit, falls nicht fristgerecht widersprochen wird.
Abs. 2 Satz 1
Es handelt sich um Folgeänderungen der bislang geregelten Übermittlungs- und Speicherbefugnis der Krankenkassen.
Abs. 2a (neu)
Es handelt sich um eine Folgeänderung der bislang geregelten Übermittlungs- und Speicherbefugnis, wenn ein Widerspruch nicht erhoben wird.
Abs. 3
Versicherte können jederzeit und anlasslos einer bereitgestellten elektronischen Patientenakte widersprechen.
Abs. 5 (neu)
Versicherte können trotz eines Widerspruchs jederzeit erneut gegenüber ihrer Krankenkasse verlangen, dass eine elektronische Patientenakte eingerichtet wird.
Abs. 6 (neu)
Krankenkassen sind verpflichtet, die elektronische Patientenakte nach dem Tod des Versicherten zu löschen.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift regelt die Voraussetzungen für eine wirksame Einwilligung der Versicherten in die Einrichtung der elektronischen Patientenakte und die hierauf begründete Zulässigkeit der Datenverarbeitung durch die Krankenkassen, die Anbieter der elektronischen Patientenakte sowie die Anbieter von einzelnen Diensten und Komponenten der elektronischen Patientenakte. Damit sind keine Zugriffsrechte auf die in der elektronischen Patientenakte gespeicherten (medizinischen) Daten verbunden. Diese werden nicht von den Kassen und Anbietern erhoben und zu eigenen Zwecken gespeichert, sondern unterliegen der Selbstbestimmung der Versicherten. Die Zulässigkeit der Verarbeitung richtet sich nach §§ 352 ff.
Rz. 2a
Mit Wirkung zum 15.1.2025 legen die Krankenkassen eine elektronische Patientenakte für alle Versicherten an. Versicherte können dem fristgebunden widersprechen. Versicherte haben damit ausreichend Zeit, sich über die Patientenakte zu informieren und ihre Nutzung zu überdenken. Die Patientenakte wird erst nach der Frist bereitgestellt. Die Einführung der widerspruchsbasierten Patientenakte wird durch umfangreiche und barrierefreie Informationen begleitet. Einer eingerichteten Patientenakte kann jederzeit widersprochen werden. Die Krankenkasse ist nach vorhergehender Information verpflichtet, die Patientenakte zu löschen.
2 Rechtspraxis
2.1 Datenverarbeitung durch Krankenkassen oder Anbieter (Abs. 1)
Rz. 3
Die Krankenkasse, der Anbieter der elektronischen Patientenakte sowie der Anbieter einzelner Dienste und Komponenten der elektronischen Patientenakte sind zur Verarbeitung personenbezogener Daten des Versicherten befugt, wenn der Versicherte
- ausreichend informiert wurde (§ 343) und
- in die Einrichtung der Patientenakte eingewilligt hat
(Satz 1). Formelle Anforderungen an die Einwilligung enthält die Vorschrift nicht. Verarbeitet werden dürfen die für die Einrichtung erforderlichen administrativen personenbezogenen Daten. Der Begriff "verarbeiten" ist in Anlehnung an die Legaldefinition des Art. 4 Nr. 2 DSGVO zu verstehen (Buchholtz, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 344 Rz. 12). Demnach ist "verarbeiten" jeder Vorgang "im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verarbeitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung".
Rz. 3a
Das Verfahren wird durch einen entsprechenden Antrag des Versicherten ausgelöst (§ 350). Anschließend darf die Krankenkasse versichertenbezogene Daten über den Anbieter der elektronischen Patientenakte in die elektronische Patientenakte übermitteln (Befüllungsbefugnis; Satz 2).
Rz. 3b
Mit Wirkung vom 15.1.2025 an legen die Krankenkassen für jeden Versicherten eine elektronische Patientenakte an und informieren ausführlich und barrierefrei darüber (§ 342 Abs. 1 Satz 2, § 343). Versicherte können von diesem Zeitpunkt an innerhalb einer Frist von 6 Wochen der Einrichtung widersprechen (Satz 1 in der ab 15.1.2025 geltenden Fassung). Ansonsten beginnt die Frist mit dem ...