0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift wurde durch Art. 1 Nr. 31 des Gesetzes zum Schutz elektronischer Patientendaten in der Telematikinfrastruktur (Patientendaten-Schutz-Gesetz – PDSG) v. 14.10.2020 (BGBl. I S. 2115) mit Wirkung zum 20.10.2020 zunächst mit der Nummer 387 in das SGB V eingefügt. Das PDSG hat mit den neuen Kapiteln 11 und 12 die bisherigen Regelungen zur Telematikinfrastruktur übernommen und umfassend neu strukturiert. Ferner werden sie weiterentwickelt und im Hinblick auf die datenschutzrechtlichen Vorgaben differenziert ausgestaltet. § 387 entspricht weitgehend dem bisher in § 291e Abs. 4 und 8 enthaltenen geltenden Recht und regelt die Aufnahme von Anwendungen in das Interoperabilitätsverzeichnis, die nicht von der Gesellschaft für Telematik (gematik) festgelegt werden.
Rz. 2
Art. 1 Nr. 70 und 73 des Gesetzes zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege (Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz – DVPMG) v. 3.6.2021 (BGBl. I S. 1309) haben mit Wirkung zum 9.6.2021 die Nummerierung geändert (alt: 387). Aufgrund neuer Paragrafen erfolgt die Verschiebung an den neuen Regelungsstandort (neu: 388). In dem neuen § 388 wird in Abs. 5 die Angabe "§ 386" durch die Angabe "§ 387" und in Abs. 6 Satz 1 und Satz 3 sowie in Abs. 7 jeweils die Angabe "§ 385" durch die Angabe "§ 386" ersetzt. Es handelt sich um redaktionelle Folgeänderungen.
Rz. 3
Art. 1 Nr. 87 des Gesetzes zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (Digital-Gesetz – DigiG) v. 22.3.2024 (BGBl. I Nr. 101) hat mit Wirkung zum 26.3.2024 die Überschrift und die Vorschrift neu gefasst. Die Verbindlichkeit vorgegebener Interoperabilitätsanforderungen wird gestärkt.
1 Allgemeines
Rz. 4
Die Vorschrift fördert die Interoperabilität informationstechnischer Systeme, indem die Verbindlichkeit für die Akteure im Gesundheitswesen gestärkt wird. Die Verbindlichkeitsmechanismen greifen geringfügig in die konkrete Berufsausübung von IT-Herstellern und -Anbietern ein (Art. 12 Abs. 1 GG, BT-Drs. 20/9048 S. 145). Der legitime Eingriff ist gerechtfertigt, weil damit die Gesundheitsversorgung verbessert wird. Die stärkere Durchsetzung gesetzlich vorgegebener Interoperabilitätsanforderungen für alle im Gesundheitswesen eingesetzten IT-Systeme dient dem Ziel, eine schnelle und korrekte Übermittlung von Patientendaten im Behandlungsfall zu ermöglichen. Vor dem Hintergrund der hohen Bedeutung einer tatsächlich funktionalen Interoperabilität der für das Gesundheitswesen bereitgestellten informationstechnischen Systeme für den Schutz der Rechtsgüter der Patienten ist eine Pflicht zur Konformitätsbewertung dieser Systeme vor einem Inverkehrbringen geeignet, erforderlich und auch angemessen. Die Details der Konformitätsbewertung und die maßgeblichen tragenden Gründe für deren Einführung regelt § 387.
2 Rechtspraxis
2.1 Pflichten der Hersteller oder Anbieter (Abs. 1)
Rz. 5
Die Vorschrift erfasst ab 1.1.2025 informationstechnische Systeme, die im Gesundheitswesen zur Verarbeitung von personenbezogenen Gesundheitsdaten angewendet werden (Satz 1). Diese Systeme dürfen nur in den allgemeinen Verkehr gebracht und dort gehalten werden, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Verantwortlich ist der Hersteller oder Anbieter des Systems. Entsprechende Systeme sind u. a. im niedergelassenen Bereich die Praxisverwaltungssysteme (PVS) und im stationären Bereich die Klinischen Informationssysteme (KIS). Die Voraussetzungen sind zu erfüllen, wenn für das entsprechende IT-System verbindliche Interoperabilitätsfestlegungen (§ 385 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1) gelten. Der relevante Zeitpunkt für das Entstehen der Pflicht nach Satz 1 ist das Inverkehrbringen (§ 384 Nr. 8). Der Verbindlichkeitsmechanismus wird nicht auf Medizinprodukte nach der Verordnung (EU) 2017/745 und In-vitro-Diagnostika nach der Verordnung (EU) 2017/746 angewendet.
Rz. 6
Die Systeme dürfen nur angeboten und betrieben werden, wenn das Kompetenzzentrum für Interoperabilität im Gesundheitswesen zuvor durch ein Zertifikat (§ 387) bestätigt hat, dass das System den verbindlichen Interoperabilitätsanforderungen entspricht (Nr. 1). Neben den Anforderungen des SGB V sind dabei auch Anforderungen des SGB XI oder des Infektionsschutzgesetzes zu berücksichtigen (z. B. Anforderungen aufgrund der Rechtsverordnung nach § 14a IfSG; BT-Drs. 20/9048 S. 146).
Rz. 7
Das Zertifikat kann auch von einer akkreditierten Stelle ausgestellt werden (Nr. 2). Der Hersteller oder Anbieter des Systems muss das Zertifikat einer akkreditierten Stelle dem Kompetenzzentrum für Interoperabilität im Gesundheitswesen vorlegen und darüber einen Nachweis führen. Das Kompetenzzentrum ist damit informiert und kann entsprechende Informationen im Internet veröffentlichen oder auch Ordnungswidrigkeiten nach § 397 Abs. 2a Nr. 5 und 6 verfolgen.
Rz. 8
Bei wesentlichen Änderungen an einem Bestandssystem sind die Voraussetzungen nach Satz 1 erneut zu erfüllen (Satz 2). Wesentlich sind Änderungen, die nicht nur zum Erhalt des Systems oder der Wiederherstellung dessen ursprünglichen Zustands im Sinne einer Fehler- oder Schadensbehe...