Rz. 29

Voraussetzung für den Anspruch auf Mutterschaftsgeld ist ein bestehendes Arbeitsverhältnis bei Beginn des leistungsauslösenden Tatbestandes, also i. d. R. bei Beginn der Schutzfrist.

Nach § 3 Abs. 1 MuSchG dürfen werdende Mütter in den letzten 6 Wochen vor der Entbindung nicht beschäftigt werden (es sei denn, dass sie sich zur Arbeitsleistung ausdrücklich bereit erklären). Für die Berechnung der Schutzfrist vor der Entbindung ist das Zeugnis eines Arztes oder einer Hebamme (bzw. eines Entbindungspflegers) maßgebend, das den mutmaßlichen Tag der Entbindung angibt (§ 3 Abs. 1 Satz 3 MuSchG i. V. m. §§ 187 ff. BGB). Ob dieses Zeugnis zu Beginn oder eher gegen Ende der Schwangerschaft ausgestellt wurde, ist spätestens seit dem 30.10.2012 unbedeutend.

 

Rz. 30

Der Beginn der 6. Woche vor der Entbindung wird vom voraussichtlichen Entbindungstag aus berechnet. Dieser Entbindungstag gilt verfahrenstechnisch als Ereignistag, weil die Entbindung irgendwann im Laufe eines Tages erfolgt. Da bei der Berechnung von Fristen immer nur ganze bzw. vollständige Tage berücksichtigt werden können, wird der Ereignistag nicht mit in die Frist eingerechnet (vgl. §§ 187 ff. BGB).

 
Praxis-Beispiel

Laut ärztlicher Bescheinigung soll eine Arbeitnehmerin voraussichtlich am 9.12. entbinden.

Lösung:

Die Schutzfrist beginnt am 28.10. (= 42 Tage vor dem 9.12.). An diesem Tag muss eine Mitgliedschaft bei einer gesetzlichen Krankenkasse bestehen, damit die Frau Mutterschaftsgeld vom Beginn der Schutzfrist an beanspruchen kann.

 

Rz. 31

Zur Bestimmung des Beginns der Schutzfrist ist die dem Arbeitgeber nach § 3 Abs. 1 Satz 3 MuSchG vorliegende Bescheinigung maßgebend. In der Regel handelt es sich bei der Bescheinigung – auch Zeugnis genannt – um den Vordruck "Muster 3 der Vereinbarung über Vordrucke für die vertragsärztliche Versorgung". Dieser wird doppelt oder in Durchschreibtechnik ausgestellt und ist sowohl für den Arbeitgeber (1. Seite des Vordrucks) als auch für die Krankenkasse bestimmt. Mithilfe dieses Vordruckes ist somit der Tag der voraussichtlichen Entbindung, der dem Arbeitgeber und der Krankenkasse mitgeteilt wird, identisch. Es ist aber auch möglich, dass zwecks Berechnung der Schutzfrist der Tag der voraussichtlichen Entbindung auf einer anderen oder formlosen Bescheinigung erfolgt.

Noch ein kurzer Hinweis: Der Vordruck "Muster 3" darf immer nur vom Arzt ausgestellt werden – und zwar nur aufgrund einer ärztlichen Untersuchung der Schwangeren. Dagegen sind Hebammen auch berechtigt, für den Arbeitgeber (individuelle) Bescheinigungen über den voraussichtlichen Tag der Entbindung auszustellen (§ 15 Abs. 2 MuSchG) – aber dann auf anderen Vordrucken oder auf individuellen Schreiben.

Wurden der Krankenkasse und dem Arbeitgeber vom Arzt oder der Hebamme ausnahmsweise unterschiedliche Entbindungstermine bescheinigt, ist für die Berechnung der Schutzfrist immer von dem Zeugnis auszugehen, das dem Arbeitgeber ausgehändigt wird. Der Grund: Die Schutzfrist ist arbeitsrechtlicher – also privatrechtlicher – und nicht sozialversicherungsrechtlicher (öffentlich-rechtlicher) Natur.

Liegen dem Arbeitgeber mehrere Bescheinigungen vor, ist die aktuellste dieser Bescheinigungen zur Berechnung des Beginns der Schutzfrist heranzuziehen (

GR v. 06.12.2017-II i.d.F. v. 23.03.2022, Abschn. 9.2.1.1).

 
Praxis-Beispiel

Das Zeugnis über den voraussichtlichen Entbindungstag für den Arbeitgeber wurde von der Hebamme bereits zu Beginn der Schwangerschaft ausgestellt. Danach soll die Frau am 9.10. entbinden. Der Krankenkasse liegt eine andere Bescheinigung vor, welche wesentlich später ausgestellt wurde. Nach dieser Bescheinigung soll die Frau erst am 11.10. entbinden.

Lösung:

Für die Berechnung der Schutzfrist ist immer nur das Zeugnis maßgebend, welches dem Arbeitgeber vorliegt. Ausgehend vom 9.10. beginnt die Schutzfrist i. S. d. § 3 Abs. 1 MuSchG am 28.8. (= 42 Tage vor dem 9.10.). An diesem Tag muss eine Mitgliedschaft bei einer gesetzlichen Krankenkasse bestehen.

 

Rz. 32

Wurde ausnahmsweise deshalb kein Zeugnis nach § 3 Abs. 1 Satz 3 MuSchG ausgestellt, weil die Entbindung bereits vor dem ursprünglichen Beginn der Schutzfrist (z. B. im 6. Schwangerschaftsmonat) erfolgte, gilt der Entbindungstag als leistungsauslösender Tatbestand (Geburt des Kindes vor Eintritt der voraussichtlichen Schutzfrist; vgl. auch Abschn. 9.1.2 des GR v. 06.12.2017-II i.d.F. v. 23.03.2022). In diesen Fällen fehlt die Schutzfrist für die Zeit vor der Entbindung.

Gleiches gilt, wenn eine Frau einen voraussichtlichen Entbindungstermin nicht nachweisen kann, weil sie vor der Geburt keine Mutterschaftsvorsorgeleistungen durch einen Arzt oder durch eine Hebamme in Anspruch genommen hat.

 

Rz. 33

Wie unter Rz. 6 aufgeführt, kann der leistungsauslösende Tatbestand auch später als zu Beginn der Schutzfrist eintreten. Das ist z. B. dann der Fall, wenn das versicherungspflichtige Arbeitsverhältnis während der Schutzfrist beginnt (vgl. auch Abschn. 9.1.2 des GR v. 06.12.2017-II i.d.F. v. 23.03.2022). Der Tag der...

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