Rz. 205
Für die ohne Arbeitsentgelt (Ausbildungsvergütung) zur Berufsausbildung Beschäftigten ist mit dem SGB V eine eigenständige Krankenversicherungspflicht angeordnet worden. Diese Personen waren zuvor nach § 165 Abs. 2 i. V. m. § 165a RVO als Lehrlinge auch ohne Arbeitsentgelt wie Beschäftigte versichert. Die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 11/2237 S. 159) führt dazu aus, dass "zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, die weder Arbeitsentgelt noch Ausbildungsvergütung erhalten, der Versicherungspflicht unterliegen und so behandelt werden wie Praktikanten" (vgl. Abs. 1 Nr. 10 und § 245 – als § 236 Gesetz geworden). Erhalten zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte eine Vergütung, richtet sich die Versicherungspflicht nach Abs. 1 Nr. 1.
Rz. 206
Tatbestandlich setzt die Vorschrift die Beschäftigung zur Berufsausbildung voraus. Damit muss zumindest vorausgesetzt werden, dass die Auszubildenden in den Ausbildungsbetrieb eingegliedert sind, den ausbildungstypischen Weisungsrechten des Ausbilders unterliegen und eine betriebliche Ausbildung vorliegt, die als Beschäftigung gilt. Damit fallen schulische oder außerbetriebliche Ausbildungen (vgl. Abs. 4a Satz 1) nicht unter die Vorschrift. Fraglich erscheint, ob mit der Beschäftigung zur Berufsausbildung i. S. v. Abs. 1 Nr. 10 nur die breit angelegte berufliche Grundbildung und Ausbildung in den für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnissen in einem geordneten Ausbildungsgang verbunden sein muss, wie dies § 1 Abs. 2 BBiG definiert. Liegt nämlich eine solche Ausbildung nach dem BBiG vor, besteht nach § 10 BBiG ein Vergütungsanspruch des Auszubildenden, sodass Versicherungspflicht nach Abs. 1 Nr. 1 bestände. Die rechtswidrige Nichtzahlung der Ausbildungsvergütung würde dem nicht entgegenstehen, da es für die Entgeltlichkeit nur auf den Anspruch auf die Vergütung ankommt (vgl. Rz. 27). Für Abs. 1 Nr. 10 bestände dann gar kein Anwendungsbereich.
Rz. 207
Vor dem Hintergrund der weiten Fassung von § 7 Abs. 2 SGB IV, der nicht nur die eigentliche geordnete Berufsausbildung umfasst, bleibt als möglicher Kreis versicherungspflichtiger Personen für Abs. 1 Nr. 10 nur der, der außerhalb des Anwendungsbereiches des BBiG eine Berufsbildung in einem Betrieb durchläuft, für die zulässigerweise auch keine Vergütung gezahlt werden muss. Erfasst werden Tätigkeiten als Praktikant, auch für nicht vorgeschriebene Praktika, Volontäre oder betriebliche Anlernverhältnisse für eine (ungelernte) Berufstätigkeit. Erfasst werden möglicherweise auch solche Berufsausbildungen/Umschulungen, die deswegen unentgeltlich erfolgen, weil sie (ohne unter Abs. 1 Nr. 5 bis 8 zu fallen) öffentlich gefördert werden und anstelle einer Ausbildungsvergütung eine andere Leistung gewährt wird oder keine Ausbildungsvergütung gezahlt wird, weil die Tätigkeit überwiegend im Eigeninteresse des Auszubildenden ausgeübt wird und keine anderweitige Sozialleistung erbracht wird oder die Zahlung der Ausbildungsvergütung nicht erstattet wird (dreiseitige Ausbildungsverhältnisse, vgl. BAG, Urteil v. 16.1.2003, 6 AZR 325/01).
Rz. 208
Das Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (Mindestlohngesetz – MiLoG) sieht in § 22 Abs. 1 vor, dass grundsätzlich auch Praktikanten i. S. d. § 26 BBiG, also Personen, die eingestellt werden, um berufliche Fertigkeiten, Kenntnisse, Fähigkeiten oder berufliche Erfahrung zu erwerben, grundsätzlich zu den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gehören und damit unter das Mindestlohngesetz fallen, also Ansprüche auf den Mindestlohn haben. Ausnahmen von der Mindestlohnverpflichtung sind in § 22 MiLoG lediglich vorgesehen, wenn
- ein Praktikum verpflichtend aufgrund einer schulrechtlichen Bestimmung, einer Ausbildungsordnung, einer hochschulrechtlichen Bestimmung oder im Rahmen einer Ausbildung an einer gesetzlich geregelten Berufsakademie geleistet wird,
- ein Praktikum von bis zu 3 Monaten zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums abgeleistet wird,
- ein Praktikum von bis zu 3 Monaten begleitend zu einer Berufs- oder Hochschulausbildung absolviert wird, wenn nicht zuvor ein solches Praktikumsverhältnis mit demselben Ausbildenden bestanden hat, oder
- wenn die Personen an einer Einstiegsqualifizierung nach § 54a SGB III oder an einer Berufsausbildungsvorbereitung nach §§ 68 bis 70 BBiG teilnehmen.
Nach § 22 Abs. 1 Satz MiLoG ist Praktikantin oder Praktikant unabhängig von der Bezeichnung des Rechtsverhältnisses, wer sich nach der tatsächlichen Ausgestaltung und Durchführung des Vertragsverhältnisses für eine begrenzte Dauer zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen einer bestimmten betrieblichen Tätigkeit zur Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit unterzieht, ohne dass es sich dabei um eine Berufsausbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes oder um eine damit vergleichbare praktische Ausbildung handelt. Es bleibt daher abzuwarten, inwieweit sich diese Regelungen sowohl auf den Begriff des Prakt...