Rz. 116
Die Krankenversicherungspflicht von Jugendlichen in Einrichtungen der Jugendhilfe ist mit dem Gesetz über die Sozialversicherung Behinderter v. 7.5.1975 (BGBl. I S. 1061) eingeführt und in die allgemeine Krankenversicherung einbezogen worden (§ 165 Abs. 1 Nr. 2a RVO). Allerdings verlangte die frühere Regelung die Befähigung zur Erwerbstätigkeit durch Beschäftigung. Dieses Merkmal ist nunmehr nicht mehr erhalten. Zudem waren zuvor in § 165 Abs. 1 Nr. 2a RVO als Buchstabe b noch neben den Jugendlichen auch noch Personen in die Krankenversicherung einbezogen, die in Einrichtungen für Behinderte, insbesondere in Berufsbildungswerken, an berufsfördernden Maßnahmen teilnehmen (vgl. nunmehr z. B. noch in § 1 Nr. 3 SGB VI). Diese sind in Abs. 1 Nr. 5 nicht mehr genannt. Diese Abweichung bei der Übernahme des Personenkreises in das SGB V ist nicht begründet worden.
Rz. 117
Der versicherte Personenkreis ist durch die Voraussetzung, dass die Befähigung zur Erwerbstätigkeit in einer Einrichtung der Jugendhilfe stattfinden muss, grundsätzlich auf den Personenkreis der 14- bis 18-Jährigen beschränkt (vgl. § 13 SGB VIII und Komm. dort). Lediglich als Ausnahmen (§§ 11, 41 SGB VIII) können auch ältere Personen an Maßnahmen der Jugendarbeit teilnehmen (vgl. § 41 SGB VIII und Komm. dort).
Rz. 118
Die Einrichtung der Jugendhilfe, in der die Befähigung zur Erwerbstätigkeit erfolgen soll oder muss, ist nicht präzisiert. Sie lässt sich auch nicht aus dem SGB VIII erschließen, denn besondere Einrichtungen dafür sind dort nicht genannt. Daher kommen als Einrichtung nicht nur solche in Betracht, in die die Jugendlichen auch aufgenommen (untergebracht) sind, sondern auch solche, die als Angebote der Jugendarbeit bestehen (vgl. §§ 11, 13 Abs. 2, 3 SGB VIII und Komm. dort). Bei einer Unterbringung kommt es nicht darauf an, ob diese freiwillig als Erziehungshilfe oder aufgrund einer Anordnung (Fürsorgeerziehung) erfolgte. Insbesondere muss die Einrichtung nicht als eigene der Träger der Jugendhilfe bestehen, sondern kann auch durch sonstige Dritte betrieben werden (vgl. § 45 SGB VIII und Komm. dort). Insoweit ist es notwendig, aber auch ausreichend, dass die Einrichtung und deren Angebote unter Aufsicht und Kontrolle der zuständigen Behörde der Jugendhilfe stehen.
Rz. 119
Voraussetzung der Versicherungspflicht ist die Teilnahme an einer Maßnahme, die der Befähigung für eine Erwerbstätigkeit dient. Daher werden Beginn und Ende der Versicherungspflicht durch Beginn und Ende der Maßnahme bestimmt (vgl. § 186 Abs. 4, § 190 Abs. 6 und Komm. dort), was eine auf eine gewisse Dauer konzipierte Maßnahme beinhaltet und voraussetzt. Nicht erforderlich ist gegenüber früherem Recht, dass die Befähigung durch Beschäftigung erfolgt (so auch Just, in: Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl., § 5 Rz. 29). Dies ergibt sich auch nicht daraus, dass die Befähigung für eine Erwerbstätigkeit notwendig mit Beschäftigung i. S. d. Definition des § 7 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV verbunden sein müsste (so aber Wiegand, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2. Aufl., § 5 Rz. 52; Gerlach, in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand: II/2013, § 5 Rz. 287; Baier, in: Krauskopf SozKV SGB V, § 5 Rz. 23, Stand: Dezember 2015). Insbesondere spricht nunmehr dagegen, dass auch die Rentenversicherungspflicht bei Teilnahme an diesen Maßnahmen nach § 1 Nr. 3 SGB VI nicht mehr voraussetzt, dass diese durch Beschäftigung erfolgt. In § 1 Satz 5 SGB VI wird die Teilnahme an der Maßnahme als Beschäftigung fingiert. Hätte die Befähigung zu einer Erwerbstätigkeit schon durch Beschäftigung zu erfolgen, hätte es der Fiktion auch für die Rentenversicherung nicht bedurft.
Rz. 120
Die Maßnahme muss inhaltlich darauf gerichtet sein, eine Erwerbstätigkeit aufnehmen zu können, nicht jedoch selbst schon eine Berufsausbildung darstellen. Ausreichend dürfte daher eine Maßnahme sein, die planmäßig und über einen längeren Zeitraum hinweg auf das Arbeitsleben in dem Sinn vorbereitet, dass einerseits berufsspezifische Vorkenntnisse erworben werden oder andererseits aber auch regelmäßige Tagesabläufe im Zusammenhang mit einer Erwerbstätigkeit eingeübt werden, z. B. durch Übungsfirmen. Nicht ausreichend dürften dagegen Maßnahmen sein, die schulische Defizite ausgleichen sollen.
Rz. 121
Die Maßnahme der Befähigung ist nicht mit der Zahlung von Arbeitsentgelt oder sonstigen Leistungen verbunden. Daher wird wohl auch allein für die Beitragsbemessung in § 235 Abs. 1 Satz 5 ein Arbeitsentgelt i. H. v. 20 % der Bezugsgröße (§ 18 SGB IV) fingiert. § 44 Abs. 2 Nr. 1 schließt vor diesem Hintergrund einen Krankengeldanspruch daher aus. Da keine eigenständigen Regelungen zum Beitragssatz bestehen, ist wegen des Ausschlusses von Krankengeld der ermäßigte Beitragssatz nach § 243 zugrunde zu legen. Anstelle des krankenkassenindividuellen Beitragssatzes ist zusätzlich der durchschnittliche Zusatzbeitrag nach § 242a zu berücksichtigen (§ 242 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2).
Rz. 122
Ergänzende Regelungen: Für Beginn und Ende der Mitgliedschaft § 186 Abs. 4, § 190...