Rz. 9
Die Krankenversicherungsfreiheit wegen der Höhe des Jahresarbeitsentgelts (JAEG) gehört seit den Anfängen der Krankenversicherung zu den Ausschlusstatbeständen für die Krankenversicherungspflicht als Beschäftigter. Bis zum 31.12.1988 galt diese Versicherungsfreiheit jedoch nur für Angestellte. Erst das Gesundheitsreformgesetz bezog mit Wirkung zum 1.1.1989 auch Arbeiter in diese Versicherungsfreiheit ein. Grund für diese Regelungen war, dass man Beschäftigte mit einem höheren Arbeitsentgelt nicht als schutzwürdig ansah und sie nicht zwangsweise in die gesetzliche Krankenversicherung als Pflichtversicherte einbeziehen wollte. Dies ließ den betroffenen Personen die Wahl, sich freiwillig gesetzlich, privat oder aber (in der Vergangenheit) auch gar nicht gegen Krankheit zu versichern. Die Nichtversicherung dieser Personen in der gesetzlichen Krankenversicherung hatte und hat allerdings zur Folge, dass deren Höchstbeiträge bei der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung entfielen und diese Personen somit nicht am Solidarausgleich teilnahmen. Bereits mit dem Beitragssatzsicherungsgesetz v. 23.12.2002 (BGBl. I S. 4637) wurde durch die Erhöhung der JAEG für die Versicherungsfreiheit (Abs. 6) und die Trennung der JAEG von der Beitragsbemessungsgrenze (Abs. 7) der Personenkreis der pflichtversicherten höherverdienenden Beschäftigten verfassungskonform erheblich ausgeweitet (vgl. BVerfG, Beschluss v. 13.9.2005, 2 BvF 2/03). Mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) war der Personenkreis der mit Höchstbeiträgen in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversicherten Beschäftigten weiter ausgedehnt worden; denn für diesen Personenkreis trat Versicherungsfreiheit in der Zeit vom 1.4.2007 bis 31.12.2010 überhaupt erst ein, wenn ihr regelmäßiges Arbeitsentgelt die JAEG 3 Jahre lang (tatsächlich) überschritten hatte und auch im Folgejahr überschreiten würde. Diese Regelung des GKV-WSG, die den Wechsel in die private Krankenversicherung erschwerte, war verfassungsgemäß (BVerfG, Urteil v. 10.6.2009, 1 BvR 706/08 u. a.). Nachdem diese Regelungen ab dem 31.12.2010 wieder aufgehoben worden waren, steht die Frage der Schutzbedürftigkeit der höherverdienenden Beschäftigten wieder im Vordergrund. Allerdings steht es nach der Einführung der Krankenversicherungspflicht für Personen ohne Absicherung im Krankheitsfall (§ 5 Abs. 1 Nr. 13, vgl. Komm. dort) den versicherungsfreien Beschäftigten (und auch anderen Personen) nicht mehr frei, sich ggf. auch gar nicht gegen Krankheit zu versichern, weil in diesem Fall für diesen Personenkreis die Pflicht zum Abschluss eines privaten Krankenversicherungsvertrages besteht (§ 193 Abs. 3 VVG). Für versicherungspflichtige Beschäftigte, die wegen Überschreitens der JAEG versicherungsfrei werden, ist zudem in § 188 Abs. 4 die obligatorische (freiwillige) Weiterversicherung vorgesehen, die durch § 6 nicht ausgeschlossen ist (vgl. BSG, Urteil v. 10.12.2019, B 12 KR 20/18 R).
2.2.1.1 Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze
Rz. 10
Die Versicherungsfreiheit nach Nr. 1 betrifft nur den Personenkreis, der dem Grunde nach der Krankenversicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 unterliegt, also die gegen Arbeitsentgelt Beschäftigten (zu den Voraussetzungen vgl. § 5 und Komm. dort). Dass die Regelung, anders als § 5 Abs. 1 Nr. 1, noch auf Arbeiter und Angestellte abstellt, ist darauf zurückzuführen, dass die Regelung in der Ausgangsfassung des Gesundheitsreformgesetzes erstmals auch die Versicherungsfreiheit für Arbeiter vorsah, da eine Differenzierung und Ungleichbehandlung von Arbeitern und Angestellten hinsichtlich der Versicherungsfreiheit verfassungsrechtlich nicht mehr haltbar war. Die Regelung hat auch keine eigenständige rechtliche Bedeutung in dem Sinn, dass auf die arbeitsrechtliche Zuordnung als Arbeiter oder Angestellter abzustellen ist (z. B. im Hinblick auf GmbH-Geschäftsführer). Die Regelung ist vielmehr auf alle Beschäftigungen und Beschäftigungsverhältnisse i. S. v. § 5 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 7 Abs. 1 SGB IV anzuwenden. Da der Vorruhestand als versicherungspflichtige Beschäftigung gilt (§ 5 Abs. 3), können grundsätzlich auch Vorruheständler wegen der Höhe des Arbeitsentgelts (Vorruhestandsgeldes) versicherungsfrei sein, wie auch die Regelungen für einen Beitragszuschuss in § 257 Abs. 3 und 4 zeigen. Ausdrückliche Regelungen sind für diesen Personenkreis und waren auch durch das GKV-WSG nicht getroffen worden, so dass für diese für die Beurteilung der Versicherungsfreiheit weiterhin gemäß § 5 Abs. 3 auf den Status vor Beginn des Vorruhestandsgeldes abzustellen ist.
Rz. 11
Maßgebliche Voraussetzung für die Versicherungsfreiheit ist seit dem 1.1.2011 wieder das Überschreiten der JAEG mit dem regelmäßigen Arbeitsentgelt (zum regelmäßigen Arbeitsentgelt vgl. Rolfs, NZS 2019, 841; sowie Rundschreiben der Spitzenverbände v. 20.3.2019 unter Punkt 2.3). Seit dem 1.1.2003 gelten dabei 2 verschiedene JAEG, die des Abs. 6 als Grundtatbestand sowie die des Abs. 7 als Bestandsschutz für am Stichtag 31.12.2002 versicherungsfreie pri...