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Da die Krankenkassen gehalten sind, die Gefahr von Lieferausfällen sowohl im Hilfsmittel- als auch im Arzneimittelbereich so gering wie möglich zu halten, stellte sich die Frage, ob es zulässig ist, Rahmenvereinbarungen mit mehreren Vertragspartnern für ein und dieselbe Leistung abzuschließen. Dies führt zwar bei wirtschaftlicher Betrachtung dazu, dass der zu erzielende Preis bzw. Rabatt ungünstiger ausfällt. Die Krankenkassen können jedoch bei Versorgungsproblemen auf mehrere Vertragspartner zurückgreifen und damit eine möglichst lückenlose und zeitgemäße Versorgung ihrer Versicherten erreichen. In der Praxis ergibt sich diese Problematik allein bei den Arzneimittelrabattverträgen gemäß § 130a Abs. 8. Der Abschluss mit mehreren Vertragspartnern für ein und denselben Arzneimittelwirkstoff scheint auf den ersten Blick mit den Grundmaximen des Vergaberechts, der Schaffung von Wettbewerb und Gleichbehandlung in Widerspruch zu stehen. Denn aus diesen Grundsätzen ergibt sich, dass jeder Marktteilnehmer an der Vergabe öffentlicher Aufträge teilhaben soll, mit dem Ziel, allein für sich einen wirtschaftlichen Nutzen zu erzielen. Dieser Effekt relativiert sich jedoch dann, wenn ein Unternehmen zwar Vertragspartner eines öffentlichen Auftrages wird, für ihn aber unklar ist, welches Volumen am Gesamtumfang er als einer von mehreren Auftragnehmern letztlich erhalten wird. Andererseits schließt das Vergaberecht eine Rahmenvereinbarung mit mehreren Unternehmern nicht generell aus (§ 4 EG Abs. 4 VOL/A, zuvor § 3a Nr. 4 Abs. 5 VOL/A).

Mit dieser Problematik hatte sich die Rechtsprechung (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 28.4.2009, L 21 KR 40/09 SFB) insofern zu beschäftigen, als zu entscheiden war, ob es zwingend erforderlich sei, dass pro Los 3 Bieter den Zuschlag erhalten. Anlässlich dieses Falles, bei dem die Ausschreibung gar nicht die Beauftragung mehrerer Unternehmer vorsah, sondern nur der Bieter den Zuschlag erhalten sollte, der das wirtschaftlichste Angebot unterbreitete, wird ausgeführt, dass bei Abschluss mit mehreren eine Einschränkung des Wettbewerbsprinzips vorliege. Denn der Wettbewerb unter den Unternehmern werde massiv behindert, wenn 3 Bieter mit den insgesamt wirtschaftlichsten Angeboten in gleichem Umfang die Versicherten der Krankenkassen mit Arzneimitteln versorgen könnten. Der Anreiz, das wirtschaftlichste Angebot abzugeben, werde beeinträchtigt und die Spekulation mit dem zweit- oder drittwirtschaftlichsten Angebot weiter an der Versorgung der Versicherten teilhaben zu können, gefördert. Andererseits wird die Auffassung vertreten, dass das Wettbewerbsprinzip durch die gleichzeitige Beauftragung mehrerer Auftragnehmer nicht beeinträchtigt sei (2. VK-Bund, Beschluss v. 19.5.2009, VK 2-15/09). Begründet wird dies damit, dass die im Rahmen der vorliegenden Ausschreibung angebotenen Rabatte daraufhin deuteten, dass auch bei 3 Vertragspartnern pro Los die Stellung eines Rabattvertragspartners sehr attraktiv sei und mit aggressiven Rabattangeboten angestrebt werde. Diese Aussage der Vergabekammer ist jedoch unter dem Gesichtspunkt zu betrachten, dass ihr ein anderer Sachverhalt als in der Entscheidung des LSG Nordrhein-Westfalen zugrunde lag. Denn bei der der Vergabekammer zugrunde liegenden Ausschreibung sollten die 3 preisgünstigsten Bieter den Zuschlag pro Los erhalten, so dass sich hier die Frage stellte, ob es zulässig ist, dass mehrere Bieter den Zuschlag erhalten, während es in dem vom LSG Nordrhein-Westfalen zu entscheidenden Fall um die Frage ging, ob es notwendig ist, dass mehrere Bieter den Zuschlag erhalten.

Da die Regelung in § 4 EG Abs. 4 VOL/A (zuvor § 3a Nr. 4 Abs. 5 VOL/A) den Abschluss einer Rahmenvereinbarung mit mehreren Unternehmen ausdrücklich zulässt, stellt sich vielmehr primär die Frage, ob die Voraussetzungen gemäß § 4 EG Abs. 5 Buchst. a VOL/A (zuvor § 3a Nr. 4 Abs. 6a VOL/A) gegeben sind. Danach erfolgt die Vergabe von Einzelaufträgen, die auf einer mit mehreren Unternehmen geschlossenen Rahmenvereinbarung beruht, sofern alle Bedingungen festgelegt sind, nach den Bedingungen der Rahmenvereinbarung ohne erneuten Aufruf zum Wettbewerb. Dabei ist zu entscheiden, ob dies aufgrund der sozialversicherungsrechtlichen Leistungserbringerbestimmungen bejaht werden kann. Fraglich ist dabei insbesondere, ob die Krankenkassen als Auftraggeber in der jeweiligen Ausschreibung festlegen können, nach welchen Kriterien Arzneimittel mit demselben Wirkstoff in der Apotheke abzugeben sind. Diese Frage ist zu verneinen, da damit letztlich in den Sachleistungsanspruch des Versicherten gemäß § 2 eingegriffen würde. Denn in die Rechtsbeziehung des Versicherten zu dem Leistungserbringer "Apotheke" können die Krankenkassen nicht einseitig eingreifen. Dieses Rechtsverhältnis wird primär geprägt durch § 129 i. V. m. dem Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung. Nach § 129 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 5 i. V. m. § 4 Abs. 2 Satz 5 des Rahmenvertrags wird dem Apotheker zwar letztlich ein freies Auswahl...

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