Prof. Dr. Volker Wahrendorf
2.1 Bedeutung des Landesgremiums
Rz. 8
Die Bildung des gemeinsamen Landesgremiums ist eine Option, die in jedem Bundesland wahrgenommen werden kann, aber nicht umgesetzt werden muss (vgl. "kann" in Abs. 1 Satz 1). Ob die Option realisiert wird, hängt u. a. davon ab, ob und wie bisher ein gemeinsames, untereinander abgestimmtes und abgestuftes Versorgungsverhalten von den Verantwortungsträgern praktiziert wird, wie im Land die Entscheidungen im Landesausschuss getroffen und wie sie akzeptiert bzw. konkret umgesetzt werden und ob die für die vertragsärztliche Versorgung maßgebenden Institutionen gemeinsam den Willen haben, die oft noch vorhandene Abschottung der unterschiedlichen Versorgungsbereiche aufzubrechen und Empfehlungen zur sektorenübergreifenden Versorgung abzugeben.
Rz. 9
Nach der Gesetzesbegründung liegt die Verantwortung für die Bildung des gemeinsamen Landesgremiums bei den Ländern, für die die Sicherstellung einer zukunftssicheren, flächendeckenden und bedarfsgerechten Versorgung ihrer Bevölkerung mit medizinischen Dienstleistungen ein zentrales gesundheitspolitisches Anliegen ist. Die Steuerung von Versorgung und die Entwicklung zukunftsfähiger Konzepte, insbesondere für strukturkritische Regionen, machen vor dem Hintergrund des demografischen Wandels eine systematische, sektorenübergreifende Betrachtung auf Landesebene notwendig. Damit gibt das jeweilige Land den Anstoß für die Bildung des gemeinsamen Landesgremiums. Inzwischen sind in den Bundesländern gemeinsame Landesgremien, die strukturell trotz einiger Unterschiede weitgehend gleich sind, gebildet worden, wobei nachstehend zur Verdeutlichung einige Beispiele aus einzelnen Bundesländern näher ausgeführt sind.
Rz. 10
Wenn nach Landesrecht die Bildung des gemeinsamen Landesgremiums gesetzlich vorgeschrieben ist und im Gesetz die stimmberechtigten Mitglieder des Gremiums vorgegeben werden, sind die in Abs. 1 Satz 1 aufgeführten Vertreter des Landes, der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), der Landesverbände der Krankenkassen, der Ersatzkassen und der Landeskrankenhausgesellschaft aufgefordert, im gemeinsamen Landesgremium mitzuwirken. Zu den "weiteren Beteiligten" können z. B. die kommunalen Spitzenverbände, die Patientenorganisationen, die Landesärztekammer, die Landespsychotherapeutenkammer und andere Sozialleistungsträger gehören; Vertreter der von Sicherstellungsproblemen betroffenen Kommunen oder der Berufsverbände können nach Maßgabe landesrechtlicher Bestimmungen beratend, aber ohne Stimmrecht, hinzugezogen werden.
Rz. 11
In Berlin umschreibt § 2 des Gesetzes zur Errichtung eines Gemeinsamen Landesgremiums seine Aufgaben dahingehend, dass das Gremium Empfehlungen zu sektorenübergreifenden Versorgungsfragen abgeben kann, aber nicht muss. Dem Gemeinsamen Landesgremium ist Gelegenheit zur Stellungnahme in Bezug auf die Aufstellung und Anpassung des Bedarfsplanes, zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung und zu den in § 90a aufgeführten Entscheidungen des Landesausschusses zu geben (Abs. 2). Bei länderübergreifenden Fragestellungen werden die entsprechenden Gremien im Land Brandenburg um Stellungnahmen gebeten und es wird angeregt, in geeigneten Abständen zu bestimmten Fragestellungen Beratungen abzuhalten. (Zur Vereinbarkeit eines "Letter of Intent" im Land Berlin mit § 90a vgl. BSG, Urteil v. 3.8.2016, B 6 KA 31/15R.)
Rz. 12
In Hessen, um ein weiteres Beispiel zu nennen, sollen, soweit das Gemeinsame Landesgremium Empfehlungen abgibt, insbesondere regionale und fachspezifische Versorgungsnotwendigkeiten berücksichtigt werden. Dabei sollen Versorgungsstrukturen und -defizite sektorenübergreifend betrachtet werden (§ 2 Grem § 90a SGB V BiV HE 2018). Zur Unterstützung wird ein Arbeitsausschuss eingerichtet.
Rz. 13
In Sachsen ist die Errichtung eines Gemeinsamen Landesgremiums in Form einer Verwaltungsvorschrift geregelt. Auch hier wird als Ziel die Optimierung der medizinischen Versorgung angegeben.
Rz. 14
In Sachsen-Anhalt kann das Gemeinsame Landesgremium Empfehlungen zu sektorenübergreifenden medizinischen Versorgungsfragen abgeben und bei grundsätzlichen Fragen der Bedarfsplanung zur flächendeckenden Versorgung behandeln und auf die Regionen bezogene Versorgungsstrukturen entwickeln (§ 2).
Rz. 15
In Rheinland-Pfalz ist das Gemeinsame Landesgremium breit aufgestellt. Ihm gehören an: die Landesärztekammer, die Landespsychotherapeutenkammer, die Landesapothekenkammer, der Landkreistag, der Städtetag sowie die Pflegeorganisationen und die Patienten und Selbsthilfeorganisationen chronisch kranker und behinderter Menschen.
Rz. 16
Nach Maßgabe des Landesrechts bzw. nach der Formulierung des Abs. 2 erfolgen die Stellungnahmen des gemeinsamen Landesgremiums vor der Entscheidung des Landesausschusses, sodass sie in die Beratungen einbezogen werden können (vgl. "... zu treffenden Entscheidungen" in Abs. 2). Die Stellungnahmen haben nach dem Wortlaut der Vorschrift Empfehlungscharakter, sodass sie für den Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen sowie für dessen Trägerorganisatione...