(1) Die Indikation für Soziotherapie ist gegeben bei einer Beeinträchtigung der Aktivitäten (Fähigkeitsstörungen) in mindestens einem der in Absatz 2 aufgeführten Bereiche und einem Ausmaß gemäß Absatz 3 wegen einer schweren psychischen Erkrankung gemäß Absatz 4 sowie bei den in Absatz 5 genannten Fällen.
(2) 1Der Soziotherapie bedürfen Versicherte, bei denen durch schwere psychische Erkrankung hervorgerufene Beeinträchtigungen der Aktivitäten dazu führen, dass sie in ihren Fähigkeiten zur selbständigen Inanspruchnahme ärztlicher oder psychotherapeutischer sowie ärztlich oder psychotherapeutisch verordneter Leistungen erheblich beeinträchtigt sind. 2Dies trifft zu, wenn folgende Beeinträchtigungen (alternativ oder kumulativ) gegeben sind:
- Beeinträchtigung durch Störungen des Antriebs, der Ausdauer und der Belastbarkeit, durch Unfähigkeit zu strukturieren, durch Einschränkungen des planerischen Denkens und Handelns sowie des Realitätsbezuges,
- Störungen im Verhalten mit Einschränkung der Kontaktfähigkeit und fehlender Konfliktlösungsfähigkeit,
- Einbußen im Sinne von Störungen der kognitiven Fähigkeiten wie Konzentration und Merkfähigkeit, der Lernleistungen sowie des problemlösenden Denkens,
- krankheitsbedingt unzureichender Zugang zur eigenen Krankheitssymtomatik und zum Erkennen von Konfliktsituationen und Krisen.
(3) 1Zur Bestimmung des Ausmaßes der Beeinträchtigung der Aktivität soll die GAF Skala herangezogen werden. 2Orientierungswert ist 40 (höchstens ≤ 50).
(4) 1Schwere psychische Erkrankungen in diesem Sinne sind solche aus den Bereichen des schizophrenen Formenkreises (ICD-10-Nummern: F20.0 – 20.6 [Schizophrenie], 21 [schizotype Störung], 22 [anhaltende wahnhafte Störung], 24 [induzierte wahnhafte Störung] und 25 [schizoaffektive Störung]) und der affektiven Störungen (ICD-10-Nummern: F31.5 [gegenwärtig schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen im Rahmen einer bipolaren affektiven Störung], 32.3 [schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen] und 33.3 [gegenwärtig schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen im Rahmen einer rezidivierenden depressiven Störung]). 2Bei Verordnungen nach § 5 Absatz 2 genügt auch der Verdacht auf eine schwere psychische Erkrankung.
(5) 1Schwer psychisch Erkrankte mit Diagnosen aus dem Bereich F00 bis F99, die nicht unter § 2 Absatz 4 der Richtlinie genannt sind, erhalten in begründeten Einzelfällen eine Verordnung von Soziotherapie, wenn bei der oder dem Versicherten in Abweichung des in Absatz 3 genannten GAF-Wertes hier ein GAF-Wert ≤ 40 gilt und wenn sich aufgrund der Gesamtsituation und nach fachärztlicher Einschätzung eine medizinische Erforderlichkeit insbesondere aus einem der nachfolgend genannten Kriterien ergibt:
- relevante Co-Morbiditäten (psychiatrische, wie z.B. Persönlichkeitsstörungen oder Suchterkrankungen, oder somatische, wie z.B. Mobilitätseinschränkungen oder chronische Schmerzerkrankungen),
- stark eingeschränkte Fähigkeit zur Planung, Strukturierung und Umsetzung von Alltagsaufgaben,
- eingeschränkte Fähigkeit zur selbständigen Inanspruchnahme ärztlicher oder psychotherapeutischer sowie ärztlich oder psychotherapeutisch verordneter Leistungen sowie zur Koordination derselben oder
- stark eingeschränkte Wegefähigkeit.
2Kontraindikationen müssen ausgeschlossen werden. 3Die übrigen Voraussetzungen der Absätze 1 bis 3 gelten entsprechend. 4Diese Verordnungen unterliegen § 9 der Richtlinie (Genehmigung von Soziotherapie).
(6) 1Um das Ziel der Soziotherapie erreichen zu können, soll die Patientin oder der Patient über das hierzu notwendige Mindestmaß an Belastbarkeit, Motivierbarkeit und Kommunikationsfähigkeit verfügen und in der Lage sein, einfache Absprachen einzuhalten. 2Dies ist nicht gegeben, wenn keine langfristige Verminderung der in § 2 Absatz 2 genannten Fähigkeitsstörungen und kein längerfristig anhaltendes Erreichen der soziotherapeutischen Therapieziele zu erwarten ist.