Zusammenfassung
Die stufenweise Wiedereingliederung in das Arbeitsleben erleichtert arbeitsunfähigen Arbeitnehmern, in das aktive Erwerbsleben zurückzukehren. Dies geschieht durch eine allmähliche Steigerung der beruflichen Belastung. Der Arbeitnehmer ist während der Wiedereingliederung arbeitsunfähig. Unterhaltssichernde Leistungen zahlt die Krankenkasse oder der Rentenversicherungsträger. Ein Anspruch auf Arbeitsentgelt besteht während dieser Zeit nicht, kann aber im Stufenplan vereinbart werden. Die Wiedereingliederung kann von der Krankenkasse angeregt werden. Die Maßnahme wird durch den Arbeitgeber im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements durchgeführt. Darüber ist mit dem Arbeitnehmer eine Vereinbarung zu treffen. Für unterhaltssichernde Leistungen ist vorrangig der Rentenversicherungsträger zuständig. Daraus kann sich ein Erstattungsanspruch der Krankenkasse ergeben. Freiwillige Leistungen des Arbeitgebers sind auf das Kranken- oder Übergangsgeld anzurechnen.
Arbeitsrecht: Wichtige Rechtsprechung ist u. a. zum Ruhen der Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis während der Wiedereingliederung ergangen (BAG, Urteil v. 19.4.1994, 9 AZR 462/92). Die Vereinbarung über die stufenweise Wiedereingliederung ist ein Vertrag eigener Art (BAG, Urteil v. 29.1.1992, 5 AZR 37/91).
Sozialversicherung: Eine Verpflichtung aller Rehabilitationsträger, die stufenweise Wiedereingliederung in das Erwerbsleben zu fördern, regelt § 44 SGB IX. Eine spezielle Vorschrift für die Krankenversicherung enthält § 74 SGB V. Die Vorschrift bindet die Vertragsärzte und konkretisiert deren Pflichten. Kranken- und Rentenversicherung haben die Zuständigkeitsabgrenzung bei stufenweiser Wiedereingliederung nach § 44 i. V. m. § 71 Abs. 5 SGB IX vereinbart.
Vertragsarzt, Arbeitgeber, Betriebsarzt, Krankenkasse und Medizinischer Dienst (MD) werden durch die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung zur Zusammenarbeit verpflichtet (Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie). Dabei ist § 7 der Begutachtungsanleitung Arbeitsunfähigkeit zu beachten.
Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts grenzt die Zuständigkeit verschiedener Sozialversicherungsträger ab (BSG, Urteil v. 20.10.2009, B 5 R 44/08 R).
Arbeitsrecht
1 Rechtliche Einordnung
Das Bundesarbeitsgericht hat bekräftigt, dass während des Wiedereingliederungsverhältnisses die arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten ruhen.
1.1 Vertrag eigener Art
Nimmt der Arbeitnehmer eine (teilweise) Tätigkeit bei seinem Arbeitgeber im Rahmen der Wiedereingliederung auf, handelt es sich um kein Arbeitsverhältnis, soweit die Tätigkeit ausschließlich zu Rehabilitationszwecken erfolgt. Die Vereinbarung über die stufenweise Wiederaufnahme der Tätigkeit ist vielmehr als Vertrag eigener Art nach §§ 241, 311 BGB anzusehen.
1.2 Rechte und Pflichten
Grundsätzlich besteht keine Verpflichtung der Arbeitsvertragsparteien, ein Wiedereingliederungsverfahren durchzuführen. Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, seine Arbeitskraft – teilweise – zu verwerten. Auch der Arbeitgeber ist weder berechtigt noch verpflichtet, die Teilarbeitsfähigkeit anzufordern oder dem Arbeitnehmer einen entsprechenden Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen.
Die stufenweise Wiedereingliederung (auch Hamburger Modell genannt) ist in § 74 SGB V geregelt und dient dazu, den erkrankten Arbeitnehmer schrittweise wieder an seine alte Arbeit heranzuführen, wobei der zeitliche Umfang der Tätigkeit nach und nach gesteigert wird. Die stufenweise Wiedereingliederung erfolgt grundsätzlich auf freiwilliger Basis. Erforderlich ist, dass der Sozialversicherungsträger (die Krankenkasse, die Rentenversicherung oder die Agentur für Arbeit), Arbeitnehmer und Arbeitgeber zustimmen. Die Wiedereingliederung erfolgt auf Grundlage eines ärztlichen Wiedereingliederungsplans, der vorgibt, in welchen Stufen die Arbeit wieder aufgenommen wird.
Abgrenzung zum BEM
Neben der stufenweisen Wiedereingliederung gibt es das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM). Zweck des BEM ist es, den Ursachen von Arbeitsunfähigkeitszeiten des Beschäftigten nachzugehen und nach Möglichkeiten zu suchen, künftig Arbeitsunfähigkeitszeiten zu vermeiden oder zumindest zu verringern.
Der Arbeitgeber ist unter den Voraussetzungen des § 167 Abs. 2 SGB IX zur Durchführung eines BEM verpflichtet. Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als 6 Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Der Arbeitnehmer hat in diesen Fällen einen rechtlichen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber auf Unterstützung bei der Wiederaufnahme der Arbeit. Im Rahmen eines BEM kann der Arbeitnehmer Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe oder begleiten...