Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Sachverständigenvergütung. Zeitansatz für gedankliche Erarbeitung der Beurteilung
Leitsatz (amtlich)
Ein medizinischer Sachverständiger mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung benötigt für die gedankliche Erarbeitung der Beurteilung durchschnittlich eine Stunde für ca. 1 ½ Blatt (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 26. März 2012 - Az.: L 6 SF 132/12 E). Es handelt sich um einen Anhaltspunkt für die angemessene Stundenzahl; maßgebend ist im Zweifelsfall der im Einzelfall erkennbare Arbeitsaufwand des Sachverständigen, der im Gutachten zum Ausdruck kommt.
Tenor
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 12. Dezember 2011 aufgehoben und die Vergütung des Beschwerdeführers für das Gutachten vom 21. März 2011 auf 1.364,82 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe
I.
In dem Klageverfahren H. K. ./. AOK Plus - Die Gesundheitskasse für Sachsen und Thüringen (Az.: S 38 KR 3697/10) beauftragte die Vorsitzende der 38. Kammer des Sozialgerichts Gotha mit Beweisanordnung vom 26. Januar 2011 Dr. P. H. mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens nach Aktenlage unter Verwertung der vorliegenden Gutachten und Befundberichte zu folgenden Fragen:
1. Welche Erkrankungen lagen bei der Versicherten M. L. vor?
2. Welche Behandlungsmaßnahmen wurden während des stationären Aufenthalts vom 22.08.2007 - 05.09.2007 durchgeführt?
3. Welche Diagnosen waren zu stellen gewesen?
4. Welche Kodierung für Diagnosen und Prozeduren konnten in Ansatz gebracht werden?
5. Welche DRG musste im Behandlungsfall L. zur Abrechnung kommen?
Unter dem 15. Februar 2011 änderte das Sozialgericht seine Beweisanordnung ab und ernannte den Beschwerdeführer - Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Chirotherapie und Rehabilitationswesen - zum Sachverständigen; im Übrigen bleibe der Inhalt der bisherigen Beweisanordnung maßgeblich.
Der Beschwerdeführer fertigte unter dem 21. März 2011 sein Gutachten auf insgesamt 17 Blatt. In seiner Kostenrechnung vom 29. März 2011 machte er insgesamt 1.614,03 Euro geltend. Bezüglich der Einzelheiten wird auf Blatt 1 f. des Kostenhefts verwiesen. Mit Verfügung vom 15. April 2011 kürzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB) die Vergütung auf 829,31 Euro. Die Entschädigung errechne sich bei einem objektiv notwendigen Zeitaufwand von (aufgerundet) 11 Stunden (6 Stunden Aktendurchsicht, 3 Stunden Diktat, 1,7 Stunden Beurteilung) auf 660,00 Euro. Zusätzlich zu erstatten seien "alle weiteren Kosten…wie beantragt".
Am 30. Mai 2011 hat der Beschwerdegegner die richterliche Festsetzung beantragt und vorgetragen, die Gutachtenserstellung habe sich sehr zeitaufwändig und schwierig gestaltet.
Ohne Beteiligung des Beschwerdegegners hat das Sozialgericht die Entschädigung für das erstattete Gutachten mit Beschluss vom 12. Dezember 2011 auf 829,31 Euro festgesetzt und zur Begründung auf die Ausführungen der UKB verwiesen. Zusätzlich hat es angegeben, ein überdurchschnittlicher Umfang und Schwierigkeitsgrad seien nicht erkennbar. Es sei ein Aktengutachten zu erstellen gewesen.
Gegen den am 2. Januar 2012 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 16. Januar 2012 Beschwerde eingelegt. Die Beschlussbegründung sei formal, inhaltlich und sachlich falsch und nicht plausibel. Die vorgegebene Begründung, sein Gutachten bestehe im Wesentlichen aus einer Wiedergabe des Akteninhalts, sei grotesk. Letztendlich liefere ja erst die Analyse des Akteninhalts die Begründung in der Beantwortung der Fragen.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 12. Dezember 2011 aufzuheben und die Vergütung für das Gutachten vom 21. März 2011 auf 1.614,03 Euro festzusetzen.
Der Beschwerdegegner hat keinen Antrag gestellt und sich in der gesetzten Frist zur Sache nicht geäußert.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 6. Februar 2012) und die Akten dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt
II.
Die Beschwerde gegen einen im Erinnerungsverfahren ergangenen Beschluss ist nach § 4 Abs. 3 des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und entschädigungsgesetz - JVEG) bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen statthaft (ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats, vgl. u.a. Beschluss vom 24. August 2009 - Az.: L 6 B 248/08 SF; ebenso LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 3. September 2009 - Az.: L 6 R 303/09 B, nach juris). Sie ist zulässig, denn der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 Euro.
Die Beschwerde ist teilweise begründet.
Vorab wird darauf hingewiesen, dass die Vorinstanz den Beschwerdegegner hätte beteiligen müssen.
Nach § 8 Abs. 1 JVEG erhalten Sachverständige als Vergütung
1. ein Ho...