Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe. wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse. Ermittlung von Amts wegen. Rentenabfindung aus der gesetzlichen Unfallversicherung. keine Verpflichtung eines hilfebedürftigen Beteiligten, Verbesserungen in wirtschaftlicher Situation dem bewilligenden Gericht mitzuteilen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das Gericht der Hauptsache ermittelt von Amts wegen, ob sich die der Bewilligung von Prozesskostenhilfe zugrunde gelegten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Laufe des Verfahrens verbessert haben, wenn dafür konkrete Anhaltspunkte bestehen.

2. Eine wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse im Vergleich der Verhältnisse zum Zeitpunkt der Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird angenommen, wenn sich das Einkommen und damit der wirtschaftliche und soziale Lebensstandard spürbar verbessert haben.

3. Die Zahlung einer Rentenabfindung nach § 75 ff. Sozialgesetzbuch Siebtes Buch stellt einen Vermögenserwerb dar.

4. Es besteht keine Verpflichtung eines hilfebedürftigen Beteiligten, das bewilligende Gericht von sich aus auf Verbesserungen der wirtschaftlichen Verhältnisse hinzuweisen.

 

Normenkette

ZPO § 120 Abs. 4 S. 1; SGB VII § 75 ff.

 

Verfahrensgang

Thüringer LSG (Beschluss vom 29.09.1998; Aktenzeichen L 1 U 452/98)

 

Tenor

Der Beschluss des 1. Senats des Thüringer Landessozialgerichts vom 29. September 1998 (Az.: L 1 U 452/98) wird nicht abgeändert.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

 

Tatbestand

I.

In dem Berufungsverfahren der Antragsgegnerin gegen die Berufsgenossenschaft der Keramischen und Glasindustrie (Az.: L 1 U 452/98) gewährte ihr der 1. Senat des Thüringer Landessozialgerichts mit Beschluss vom 29. September 1998 Prozesskostenhilfe (PKH) ohne Ratenzahlung und ordnete Rechtsanwalt J.… E.…, K.…, bei.

Mit Bescheid vom 7. April 2003 fand die Beklagte antragsgemäß die im Verlauf des Streitverfahrens anerkannte Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) vom 25 v.H. ab. Den Abfindungsbetrag errechnete sie auf 47.060,46 €.

Unter dem 20. Juni 2003 (Abvermerk vom 23. Juni 2003) teilte der Berichterstatter des 1. Senats der Antragsgegnerin mit, es sei im Hinblick auf die gewährte Abfindung beabsichtigt, die PKH wegen wesentlicher Änderung der maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse zu ändern. Daraufhin trugen deren Prozessbevollmächtigte (Rechtsanwalt E.… und ihr Vater ≪der Prozessbevollmächtigte des Überprüfungsverfahrens≫) vor, das Geld sei bereits durch einen Anbau an ihrem Einfamilienhaus verbraucht. Die Antragsgegnerin habe sich zudem bei einer Verwandten mit über 20.000,00 € verschuldet. Auf gerichtliche Anforderung legte der Prozessbevollmächtigte des Abänderungsverfahrens u.a. diverse Bauunterlagen, eine neue undatierte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die Kopien diverser Rechnungen von Baumärkten, Handwerkern etc. über insgesamt 45.936,75 € aus der Zeit bis 19. Juli 2003 vor.

Im Juli 2000, Februar und September 2004 wurde für die Antragsgegnerin für zwei Gutachten sowie deren persönliche Erläuterung der Sachverständigen vor dem 1. Senat insgesamt 2.772,58 € nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf ein Konto der Staatskasse eingezahlt. Die Antragsgegnerin legte eine Bestätigung des K.… K.… vom 18. Februar 2004 über einen “Geldverleih” von 2.000,00 € vor.

Mit Urteil vom 15. September 2004 wies der 1. Senat des Thüringer Landessozialgerichts die Berufung der Antragsgegnerin zurück und lehnte mit Beschluss vom 10. Januar 2005 den Antrag auf Übernahme der Sachverständigenentschädigungen nach § 109 SGG auf die Staatskasse ab.

Nach Eingang der Akten beim erkennenden Senat hat der Senatsvorsitzende der Antragsgegnerin Kopien ihrer Erklärungen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zugeleitet und um Mitteilung gebeten, welche Posten sich verändert haben. Diese hat diverse Unterlagen eingereicht und u.a. ausgeführt, eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse liege nicht vor.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Voraussetzungen für eine Abänderung der PKH-Bewilligung liegen nicht vor.

Angesichts der Ausführungen des Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin weist der Senat nochmals darauf hin, dass er für die die Überprüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 120 Abs. 4 der Zivilprozessordnung (ZPO) zuständig ist. Die entsprechenden Ermittlungen sind von Amts wegen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 17. Mai 2004 – Az.: L 6 SF 90/04 und vom 13. Januar 2004 – Az.: L 6 SF 955/03) durchzuführen. Allein schon die Auszahlung der Rentenabfindung und der weiteren Zahlungen boten durchaus konkrete Anhaltspunkte für die Möglichkeit der Verbesserung. An Anträge des Antragstellers ist der Senat dagegen nicht gebunden.

Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 ZPO setzt das Gericht mit der Bewilligung der Prozesskostenhilfe zu zahlende Monatsraten und aus dem Vermögen zu zahlende Beträge fest. Nach Absatz 4 Satz 1 Halbs. 1 kann das Gericht die Entscheidung über die zu leistenden Za...

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