Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Verzichtstatbestand der Einigungsgebühr gem RVG-VV Nr 1006, 1000. materiellrechtliche Rücknahme. gerichtlicher Vergleich. bloßer Verzicht
Leitsatz (amtlich)
Eine rein materiellrechtliche Rücknahme im sozialgerichtlichen Verfahren in Form eines gerichtlichen "Vergleichs" erfüllt den Verzichtstatbestand in Nr 1006, 1000 VV-RVG (juris: RVG-VV).
Tenor
Die Beschwerde der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 20. August 2010 wird zurückgewiesen.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Gotha streitig (Az.: S 26 AS 4298/06).
Im Hauptsacheverfahren (Az.: S 26 AS 4298/06) vertrat die in der Rechtsanwaltskanzlei der Beschwerdeführer beschäftigte Rechtsanwältin A. die Klägerin. Diese bezog Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Schreiben vom 18. Oktober 2006 wies die Beklagte, eine ARGE SGB II, die Klägerin darauf hin, sie habe in der Zeit vom 1. August bis 31. Oktober 2006 Leistungen in Höhe von 125,90 Euro zu Unrecht bezogen; es werde um Äußerung hierzu gebeten. Mit Bescheid vom gleichen Tag erging ein Änderungsbescheid. Die Klägerin legte gegen das Schreiben vom 18. Oktober 2006 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. November 2006 als unzulässig verwarf. Dagegen erhob die Klägerin am 8. Dezember 2006 Klage. Mit Verfügung vom 27. März 2007 wies der Kammervorsitzende sie darauf hin, dass diese mangels Verwaltungsakt unzulässig sei. Am 30. August 2007 zeigte Rechtsanwältin A. ihre Vertretung an und trug im Ergebnis vor, Gegenstand der Klage seien auch die inhaltlich unrichtigen Änderungsbescheide vom 18. und 24. Oktober 2006. In der 40 Minuten dauernden nichtöffentlichen Sitzung am 6. Oktober 2007 gewährte das Sozialgericht der Klägerin Prozesskostenhilfe (PKH) ohne Ratenzahlung ab 30. August 2007 und ordnete Rechtsanwältin A. bei. Nach der Niederschrift wies der Vorsitzende anschließend darauf hin, dass er mangels Verwaltungsakt Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage habe. In der Niederschrift ist des Weiteren vermerkt:
"Auf Vorschlag des Gerichts schließen die Beteiligten folgenden Vergleich:
1. Die Beklagte verpflichtet sich, den Bescheid vom 18. Oktober 2006 zu überprüfen.
2. Die Klägerin nimmt ihre Klage zurück.
3. Die Kosten werden gegenseitig aufgehoben.
4. Die Beteiligten erklären übereinstimmend, dass sich der Rechtsstreit damit erledigt hat."
In ihrer Kostenrechnung vom 11. Oktober 2007 machte Rechtsanwältin A. für dieses Verfahren einen Betrag von insgesamt 892,50 Euro geltend, der sich wie folgt errechnet:
Verfahrensgebühr 250,00 Euro
Terminsgebühr 200,00 Euro
Einigungsgebühr 280,00 Euro
Post- und Telekommunikation 20,00 Euro
Zwischensumme 750,00 Euro
Mehrwertsteuer 142,50 Euro
Gesamtbetrag 892,50 Euro
Unter dem 5. November 2007 wies die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB) die Zahlung von 381,99 Euro an und führte zur Begründung aus, hinsichtlich des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit komme es nur auf die Zeit von der Beiordnung bis zur Erledigung des Rechtsstreits an. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit und die Einkommensverhältnisse der Klägerin seien unterdurchschnittlich, die Bedeutung durchschnittlich gewesen. Insofern seien Verfahrens- und Terminsgebühr auf jeweils 2/3 der Mittelgebühr festzusetzen. Die Voraussetzungen der Einigungs- oder Erledigungsgebühr lägen mangels qualifizierter anwaltlicher Mitwirkung bei der Erledigung nicht vor.
Am 14. März 2007 hat Rechtsanwältin A. Erinnerung eingelegt. Sie ist dann 2008 aus der Kanzlei der Beschwerdeführer ausgeschieden und hat mit Vereinbarung vom 30. Oktober 2008 ihren Anspruch auf die PKH an sie abgetreten. Die Erinnerung hat das Sozialgericht Gotha mit Beschluss vom 20. August 2010 zurückgewiesen und ausgeführt, die Bedeutung des Falls sei unterdurchschnittlich gewesen, weil es im Kern nur darum ging, ob die Klage unzulässig war. Mit der zuerkannten Terminsgebühr sei die Beschwerdeführerin "noch gut bedient". Bezüglich der Einigungsgebühr erscheine der Kammer die notwendige Mitwirkung nicht wahrscheinlich. Ein materiell-rechtlicher Vergleich sei nicht geschlossen worden. Sein Zweck habe allein darin gelegen, ein abweisendes Urteil wegen Unzulässigkeit zu vermeiden.
Gegen den am 7. September 2010 zugestellten Beschluss haben die Beschwerdeführer am 6. Oktober 2010, begrenzt auf die Festsetzung der Einigungsgebühr, Beschwerde eingelegt. Für eine kausale Mitwirkung genüge es, dass der Anwalt dem Mandanten rate, ein Einigungsangebot anzunehmen. Ob dieses sich auf Zahlung eines Geldbetrages oder auf Rücknahme richte, sei für das Vorliegen der Einigung nicht von Relevanz. Rechtsanwältin A. habe der Klägerin den Vergleichsvorschlag des Gerichts kurz erläutert und seine Annahme empfohlen. Die Beweislast für eine fehlend...