Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Besorgnis der Befangenheit. Androhung der Auferlegung von Verschuldenskosten wegen Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung
Orientierungssatz
Zur Frage, ob in der Androhung der Auferlegung von Verschuldenskosten wegen Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung gemäß § 192 Abs 1 S 1 Nr 2 SGG ein Verhalten erkannt werden kann, welches geeignet ist, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen.
Tenor
Die Verfahren L 4 SF 421/11, L 4 SF 422/11 und L 4 SF 423/11 werden zur gemeinsamen Entscheidung miteinander verbunden. Führend ist das Verfahren L 4 SF 421/11.
Die Gesuche der Klägerin, den Richter am Sozialgericht B. als Vorsitzenden der 13. Kammer des Sozialgerichts Gotha für befangen zu erklären, werden zurückgewiesen.
Gründe
Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen verbunden, weil in allen zugrundeliegenden Klagen die Klägerin das gleiche Verhalten des Kammervorsitzenden rügt (§ 113 Abs. 1 SGG).
Die instanzielle Zuständigkeit des Senats ist gegeben, obwohl nach Wegfall der Regelung des § 60 Abs. 1 S. 2 SGG a.F. durch das Änderungsgesetz vom 22. Dezember 2011 (BGBl I 1864) mit Wirkung ab 1. Januar 2012 über § 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 45 Abs. 1 ZPO über das Gesuch das Sozialgericht zu entscheiden hat, dem der abgelehnte Richter angehört. Auch ohne ausdrückliche Übergangsregelung folgt das aus den intertemporalen Verfahrensgrundsätzen, nach denen die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs sich nach dem Recht richtet, welches im Zeitpunkt seines Eingangs - hier bis 31. Dezember 2011 - gegolten hat (Kopp, "Grundsätze des intertemporalen Verwaltungsrechts" in SGb 1993, S. 593 (601) m.w.N.).
Die Gesuche der Klägerin haben in der Sache keinen Erfolg.
Jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung über das Gesuch ist keine Verhaltensweise des Richters erkennbar, die die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen vermag; wobei nach dem Vorbringen der Klägerin alleine im Raum steht, ob ein solches Verhalten darin zu sehen ist, dass der Richter unmittelbar nach Präzisierung der Klagebegehren darauf hingewiesen hat, es sei beabsichtigt "Mutwillenskosten" in Höhe von 100 Euro zu verhängen, falls die Klagen nicht zurückgenommen würden.
Nach § 60 Abs. 1 S. 1 SGG in Verbindung mit § 42 ZPO ist ein Richter auf das zulässige Ablehnungsgesuch eines Verfahrensbeteiligten von der Ausübung des Richteramtes im Rechtsstreit auszuschließen, in dessen Person gesetzliche Ausschließungsgründe vorliegen oder der die Besorgnis der Befangenheit begründet (§ 42 Abs. 1 ZPO). Die Besorgnis der Befangenheit ist anzunehmen, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 ZPO). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich befangen ist, sondern allein darauf, ob ein am Verfahren Beteiligter von seinem Standpunkt aus Bedenken gegen die Unparteilichkeit des Richters haben kann (BSG SozR - 1500 § 60 Nr. 3). Für die Besorgnis der Befangenheit müssen aber objektive Gründe vorliegen, die - vom Standpunkt des Ablehnenden aus - bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung rechtfertigen, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber. Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen und Gedankengänge des Antragstellers reichen hingegen nicht aus, die Besorgnis der Befangenheit eines Richters zu begründen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer., SGG, 9. Auflage, § 60 Rn. 7 m.w.N.).
Unrichtige oder für unrichtig gehaltene Rechtsauffassungen oder Tatsachenausführungen eines Richters sind grundsätzlich nicht geeignet, eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen (Senat, Beschluss vom 5. Oktober 2011 - L 4 SF 1488/11). Es müssen vielmehr objektive Gründe dafür dargetan werden, die dafür sprechen, dass eine mögliche Fehlerhaftigkeit einer Entscheidung auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegen den ablehnenden Beteiligten beruht oder willkürlich im Sinne einer greifbaren Gesetzeswidrigkeit ist (BSG, Beschluss vom 10. Dezember 2010 - B 4 AS 97/10 B m.w.N., juris). Unterschiedliche Auffassungen zwischen Richtern und Verfahrensbeteiligten in materiell-rechtlichen oder verfahrensrechtlichen Fragen bieten ohne besondere weitere Anhaltspunkte ebenfalls keinen Anlass zu einer begründeten Besorgnis der Befangenheit. Eine Befangenheit ist vielmehr nur dann zu besorgen, wenn die Fehlerhaftigkeit der richterlichen Meinungsäußerung bzw. in Betracht gezogenen verfahrensrechtlichen Maßnahme auf einer unsachlichen, nicht mehr neutralen Einstellung des Richters gegen den betroffenen Beteiligten oder auf Willkür im konkreten Fall beruht. Von einer auf Willkür beruhenden Rechtsauffassung bzw. Verfahrenshandlung kann jedoch nur dann gesprochen werden, wenn sie bei verständiger Würdigung schlechterdings nicht mehr verständlich erscheint oder offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BayLSG, Beschluss vom 29. April .2002 - L 5 AR 28/02 RJ, m.w.N., juris).
Es mag verfahrensrecht...