Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Erledigungsgebühr. anwaltliche Mitwirkung gem RVG-VV Nr 1002. Rücknahme eines Rechtsbehelfs. vollständige Abhilfe der Behörde

 

Leitsatz (amtlich)

Die anwaltliche Mitwirkung nach Nr 1002 VV-RVG setzt regelmäßig eine qualifizierte besondere Tätigkeit des Rechtsanwalts voraus. Sie liegt weder bei einer bloßen Rücknahme eines eingelegten Rechtsbehelfs vor noch bei einer vollständigen Abhilfe der Behörde ohne besondere anwaltliche Aktivität (vgl BSG vom 7.11.2006 - B 1 KR 23/06 R = SozR 4-1300 § 63 Nr 8; vgl BAG vom 29.3.2006 - 3 AZB 69/05 = NZA 2006, 693).

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 10. Februar 2011 wird zurückgewiesen.

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Verfahren vor dem Sozialgericht Altenburg streitig (Az.: S 24 AS 405/07, S 24 AS 2438/08).

Mit Bescheid vom 18. Januar 2007 gewährte die Beklagte, eine ARGE SGB II, der Klägerin und ihrem Sohn Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 745,66 Euro, änderte auf den Widerspruch die Leistungen mit Bescheid vom 18. Januar 2007 ab (1. bis 31. Januar 2007: 803,43 Euro; 1. Februar bis 30. Juni 2007: 839,66 Euro) und wies den Widerspruch im Übrigen zurück. Mit ihrer am 15. Februar 2007 erhobenen Klage (Az.: S 24 AS 405/07) wandte sich die Klägerin gegen den Abzug von 35 v.H. des täglichen Regelbedarfs wegen ersparter persönlicher Verpflegungsaufwendungen während der stationären Behandlung ihres Sohnes in der Zeit vom 1. bis 31. Januar 2007 (insgesamt 36,23 Euro). Mit Beschluss vom 18. Juni 2007 gewährte ihr das Sozialgericht Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Beschwerdeführerin ab 15. Februar 2007 und ordnete mit Beschluss vom 11. Oktober 2007 das Ruhen des Verfahrens wegen eines beim Bundessozialgericht (BSG) anhängigen Verfahrens mit gleicher Rechtsproblematik (Az.: B 14 AS 22/07 R) an.

Auf den Hinweis des Kammervorsitzenden vom 18. Juni 2008 zum entsprechenden Urteil des BSG übersandte die Beklagte ihren abgeänderten Bescheid vom 10. Juli 2008 und erklärte sich zur Übernahme der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Kosten dem Grunde nach bereit. Das Sozialgericht nahm daraufhin das Klageverfahren wieder auf (Az.: 24 AS 2438/08). Unter dem 2. September 2009 nahm die Beschwerdeführerin für die Klägerin das Anerkenntnis an und erklärte die Hauptsache für erledigt.

In ihrer Kostenrechnung vom 21. Januar 2009 begehrte die Beschwerdeführerin die Festsetzung folgender Gebühren und ihre Erstattung aus der Staatskasse:

Verfahrensgebühr Nr. 3102-VV-RVG

250,00 Euro

Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG

200,00 Euro

Erledigungsgebühr Nr. 1005, 1006-VV RVG

190,00 Euro

Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG

 20,00 Euro

Dokumentenpauschale Nr. 7000 VV-RVG

 5,00 Euro

Zwischensumme

665,00 Euro

Mehrwertsteuer

126,35 Euro

Gesamtbetrag

791,35 Euro

abzüglich erhaltene Zahlung

422,45 Euro

zu zahlender Betrag

368,90 Euro

Die Beklagte wandte sich gegen die Höhe der Terminsgebühr und die Erledigungsgebühr. Mit Beschluss vom 2. März 2009 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die aus der "Landeskasse" (richtig: Staatskasse) zu zahlende Vergütung wie folgt fest:

Verfahrensgebühr Nr. 3102-VV-RVG

250,00 Euro

Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG

200,00 Euro

Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG

 20,00 Euro

Dokumentenpauschale Nr. 7000 VV-RVG

 5,00 Euro

Mehrwertsteuer

 90,25 Euro

Insgesamt

565,25 Euro

noch zu zahlen

238,00 Euro

Diesen Betrag forderte sie bei der Beklagten an.

Gegen den Beschluss haben die Beschwerdeführerin, die Beklagte und der Beschwerdegegner Erinnerung eingelegt. Die Beschwerdeführerin hat unter Hinweis auf den Beschluss des Sächsischen Landessozialgerichts (LSG) vom 30. Juli 2008 - Az.: L 6 B 337/08 AS-KO vorgetragen, die Erledigungsgebühr nach den Nrn. 1006, 1005, 1002 VV-RVG erfordere kein besonderes Bemühen des Rechtsanwalts. Zudem habe das Thüringer LSG entschieden, dass die Erledigungserklärung des Rechtsanwalts bereits die Voraussetzungen des anwaltlichen Mitwirkens erfülle (vgl. Beschluss vom 19. Juni 2007 - Az.: L 6 B 80/07 SF). Die Beklagte hat gerügt, die UKB habe bei ihrer Anforderung nicht beachtet, dass sie bereits 95,20 Euro an die Beschwerdeführerin ausgezahlt habe; eine teilweise doppelte Erstattung komme nicht in Betracht. Die fiktive Terminsgebühr könne zudem nicht mit der Mittelgebühr honoriert werden. Angesichts des geringen hypothetischen Aufwands sei bei angenommenem Anerkenntnis die angemessene Gebühr von 90,00 Euro nochmals auf zwei Drittel des voraussichtlich angefallenen Betrages (= 60,00 Euro) zu korrigieren. Gleichwohl habe sie schon ein Anerkenntnis über 80,00 abgegeben. Der Beschwerdegegner hat ohne Begründung eine auf die Hälfte der Mittelgebühr gekürzte fiktive Terminsgebühr für angemessen erachtet.

Mit Beschluss vom 10. Februar 2011 ...

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