Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Zulässigkeit der Beschwerde. einstweiliger Rechtsschutz. Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Zuweisungsbescheid nach § 16d SGB 2. keine Zulassungsbedürftigkeit der Berufung in der Hauptsache. Begründetheit der Beschwerde. fehlende Feststellungen zu den Tatbestandsvoraussetzungen und fehlende Ermessenserwägungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Beschwerde gegen eine Zuweisungsentscheidung nach § 16d Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ist nicht nach § 172 Abs 3 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG unstatthaft, weil sich die Bedeutung der Zuweisung nicht in der Vorbereitung einer späteren Sanktion erschöpft, sondern eigenständige Handlungspflichten des Leistungsberechtigten begründet.

2. Einzelfall einer erfolgreichen Beschwerde, weil es im Zuweisungsbescheid sowohl an Feststellungen zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 16d SGB II als auch an hinreichenden Ermessenserwägungen fehlt.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 23. März 2016 aufgehoben. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Zuweisungsbescheid vom 15. März 2016 wird angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich im einstweiligen Rechtschutz gegen eine Zuweisungsentscheidung nach § 16d Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Bei einer Vorsprache bei seiner Fallmanagerin legte der 1964 geborene Antragsteller, der gegen einen Sanktionsbescheid mit Minderung des Arbeitslosengeldes II um 30 % des Regelbedarfs im Zeitraum Juni bis August 2015 klagt, eine Liste “Nachweis zu Eigenbemühungen„ vor. Danach hatte er sich im Zeitraum September 2015 bis Januar 2016 dreizehn Mal erfolg- bzw. ergebnislos beworben. Als Gründe hatte er angegeben: “Absage nach Ablehnung der Umschulung„, “Führerschein erforderlich„ und “Shuttlebus wahrscheinlich erst Mitte - Ende 2016 möglich„. Nach dem Aktenvermerk zur Vorsprache vom 18. Februar 2016 sollte ihm ein Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein ausgehändigt werden, was der Antragsteller jedoch als nicht sinnvoll angesehen habe. Auch den Abschluss einer vom Antragsgegner vorgeschlagenen Eingliederungsvereinbarung lehnte er ab, weil diese gegen seine verfassungsmäßigen Rechte verstoße. Daraufhin wurde ein die Eingliederungsvereinbarung ersetzender Bescheid vom 15. März 2016 erlassen, wonach er u. a. in eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung vermittelt werde; die Einzelheiten wurden im gesonderten Bescheid vom selben Tag geregelt. Danach erfolgt die Zuweisung in eine Maßnahme bei der K. N. im Zeitraum vom 21. März 2016 bis 30. Juni 2016 mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden bei einer Entschädigung von 1 € pro Stunde. Die Bezeichnung der Maßnahme im Bescheid lautet: “Erlernen von einfachen handwerklichen und kreativen Tätigkeiten für Menschen mit multiplen Vermittlungshemmnissen„. Wenn er sich weigere, die Arbeitsgelegenheit aufzunehmen, werde das Arbeitslosengeld II in einer ersten Stufe für drei Monate um 30 % des Regelbedarfs gesenkt, also 121,20 EUR im Monat. Zur Begründung der Entscheidung ist im Prüfbogen in der Verwaltungsakte vermerkt: “Herr St. ist trotz intensiver Bewerbungen und Unterstützung durch das Jobcenter weiterhin ohne Beschäftigung. Seine letzte längerfristige sozialversicherungspflichtige Beschäftigung war 1997. Eine im Rahmen von 50plus vermittelte sozialversicherungspflichtige Beschäftigung (04/2015) hat Herr St. nach 11 Tagen gekündigt. Die AGH soll zur Wiedererlangung der Beschäftigungsfähigkeit von Herrn St. beitragen.„ Bereits unter dem 10. März 2016 hatte der Antragsgegner den Antragsteller mit Rechtsfolgenbelehrung zu einer Informationsveranstaltung einer Zeitarbeitsfirma eingeladen. Gleiches erfolgte unter dem 30. März 2016 zu einem Vorstellungsgespräch bei einer anderen Zeitarbeitsfirma.

Auf den Widerspruch gegen die Zuweisung teilte der Antragsgegner mit, dass der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung habe und die Regelleistung bei Weigerung für drei Monate um 60 % abgesenkt werde, also um 242,40 EUR monatlich.

Den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Zuweisungsbescheid hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 23. März 2016 abgelehnt, weil die Maßnahme rechtmäßig sei.

Dagegen wendet sich die Beschwerde des Antragstellers. Das Sozialgericht habe seine fristgemäß eingegangene Stellungnahme vom 25. März 2016 nicht berücksichtigt.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 23. März 2016 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Zuweisungsbescheid vom 15. März 2016 anzuordnen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zu verwerfen.

Er ist der Ansicht, dass die Beschwerde nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. § 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) unzulässig ist, weil der Beschwerdewert mit dem Minderungsbet...

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