Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Vergütung von Auslagen. Fahrtkostenersatz. Anreise zum Gerichtstermin vom weiter entfernten Zweitwohnsitz. Mehrkosten. Verletzung der Mitteilungspflicht. besondere Umstände. Entschädigung für Zeitversäumnis
Orientierungssatz
Zur Höhe der zu erstattenden Fahrtkosten und der Entschädigung für Zeitversäumnis, wenn die Klägerin die Reise zum Ort des Gerichtstermins nicht von dem in der Ladung bezeichneten Ort, sondern von ihrem weiter entfernten Zweitwohnsitz aus antritt und dies dem Gericht trotz Aufforderung vor Antritt ihrer Reise nicht mitgeteilt hat.
Tenor
Die Entschädigung der Erinnerungsführerin anlässlich des Erörterungstermins vom 30. Mai 2008 vor dem Thüringer Landessozialgericht wird auf 4,00 Euro festgesetzt.
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe
I.
Die Erinnerungsführerin begehrt im Hauptverfahren Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Gotha (Az.: S 27 RA 1524/03) teilte sie unter dem 11. September 2007 mit, ihr Hauptwohnsitz sei nunmehr die K.Straße 12 in B,; ihre bisherige Adresse (B.Weg 42, E.) benutze sie weiterhin als Postanschrift und zur Betreuung ihrer erblindeten Mutter. Im Berufungsverfahren (Az.: L 6 R 1419/07) übersandte sie der Berichterstatterin des Senats u.a. die Liste ihrer behandelnden Ärzte, die alle in Thüringen (E., W.) niedergelassen sind. Die Berichterstatterin lud die Erinnerungsführerin und ihre Prozessbevollmächtigten zum Erörterungstermin am 30. Mai 2008 in Erfurt. In der an die Erfurter Adresse gerichteten Ladung ist u.a. folgender Hinweis enthalten: "Falls Sie Ihre Reise zur Verhandlung von einem anderen als dem in Ihrer obigen Anschrift bezeichneten Ort antreten wollen, oder andere Umstände Ihr Erscheinen erheblich verteuern (…) sind Sie verpflichtet, dies unter Angabe des obigen Aktenzeichens sofort mitzuteilen und weitere Nachricht des Gerichts abzuwarten".
In ihrem Antrag auf Erstattung von Fahrtkosten vom 30. Mai 2008 machte die Erinnerungsführerin Fahrtkosten für 731,6 km von B. nach Erfurt und zurück geltend. Unter dem 2. Juni 2008 teilte ihr die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle mit, eine Anreise aus Bochum könne mangels vorheriger Mitteilung nicht berücksichtigt werden. Erstattet würden nur 0,75 Euro für 3 Kilometer zu 0,25 Euro.
Am 12. Juni 2008 hat die Erinnerungsführerin einen Antrag auf richterliche Festsetzung gestellt und angegeben, da ihre "Angelegenheit" trotz Wohnortwechsel in Erfurt weiterhin anhängig sei, habe sie dort einen sie einen Briefkasten und ihre Akten deponiert. Sie sei nicht bereit, eine Zweitwohnungssteuer in Erfurt zu bezahlen. Natürlich müsse sie für bestimmte Termine mindestens einmal im Monat separat anreisen, nehme die freie Arztwahl in Anspruch und habe ihre Ärzte in Thüringen beibehalten.
Die Erinnerungsführerin beantragt sinngemäß,
die Entschädigung für die Teilnahme am Erörterungstermin vom 30. Mai 2008 auf 183,00 Euro festzusetzen.
Der Erinnerungsgegner beantragt,
die die Entschädigung für die Teilnahme am Erörterungstermin vom 30. Mai 2008 auf 0,75 Euro festzusetzen.
Die von der Erinnerungsführerin begehrte Fahrtkostenentschädigung komme nicht in Betracht, weil diese ihrer Mitteilungspflicht nicht nachgekommen sei.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen und sie dem Senat zugeleitet. Auf Anfrage des Senatsvorsitzenden hat die Berichterstatterin unter dem 13. November 2008 angegeben, die Erinnerungsführerin habe ihr vorab nicht mitgeteilt, dass sie die Reise von einem anderen als in der Ladung angegeben Ort aus antreten werde. Angesichts deren offensichtlich häufigeren Aufenthalte in Erfurt hätte sie andernfalls den Termin entsprechend verlegt.
II.
Auf die Erinnerung war die Entschädigung auf 4,00 Euro festzusetzen.
Zuständig für die Entscheidung ist der Senatsvorsitzende (Senatsbeschluss vom 30. Juni 2008); er entscheidet als Einzelrichter (§ 4 Abs. 7 S. 1 des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes).
Nach § 191 Halbs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) werden einem Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen angeordnet worden ist, auf Antrag bare Auslagen und Zeitverlust wie einem Zeugen vergütet. Zeugen erhalten nach § 19 Abs. 1 Satz 1 JVEG als Entschädigung Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG), Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG), Ersatz für sonstige Aufwendungen (§ 7 JVEG), Entschädigung für Zeitversäumnis (§ 20 JVEG), Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung (§ 21 JVEG) sowie Entschädigung für Verdienstausfall (§ 22 JVEG). Soweit die Entschädigung nach Stunden zu bemessen ist, wird sie nach § 19 Abs. 2 JVEG für die gesamte Zeit der Heranziehung einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten, jedoch nicht mehr als zehn Stunden je Tag gewährt (Satz 1); die letzte bereits begonnene Stunde wird voll gerechnet (Satz 2).
Die Entschädigung errechnet sich danach wie folgt:
1. Der Fahrtkostenersatz beträgt 1,00 Euro. Die Erstattung der darüber hinaus geltend gemacht...