Thüringen entwickelt notfalls eigene digitale Anwendungen

Thüringen plant, eigene Lösungen für die digitale Verwaltung zu entwickeln. Grund ist, dass Lösungen anderer Bundesländer, die für alle entwickelt werden sollen, nicht zeitnah einsetzbar sind.  

Der Onlinezugang zu den Verwaltungen von Land und Kommunen kommt nur schleppend voran. Thüringen plane, im Notfall einzelne Lösungen selbst zu entwickeln, damit die Bürger bestimmte Anträge und Anliegen wie im Onlinezugangsgesetz vorgeschrieben bis Jahresende digital erledigen könnten, sagte Finanzstaatssekretär Hartmut Schubert in Erfurt. Er ist innerhalb der Landesregierung für die Digitalisierung der Verwaltung zuständig.

Thüringen will Entwicklung eigener Lösungen prüfen

Hintergrund sei, dass die Bereitstellung von Lösungen, die von anderen Bundesländern für alle entwickelt werden sollten, hinter den Erwartungen zurückbleibe. «Jeder macht da irgendetwas», stellte Schubert fest. Ende Mai wolle Thüringen darum überprüfen, welche Angebote dann vorlägen und welche Lösungen vom Freistaat in Auftrag gegeben werden müssten.

Die Mehrkosten dafür hielten sich in Grenzen, weil bestimmte Anpassungsleistungen bei den Programmen dadurch wegfielen, sagte Schubert. Beispielsweise koste eine App, mit der Bürger ihrer Verwaltung einen Antrag auf das Fällen eines Bäumen zukommen lassen können, rund 4.000 Euro. Diese Lösung solle nicht nur in Thüringen, sondern auch in Niedersachsen und einigen Kommunen in Bayern genutzt werden.

Vorhandene Angebote konsequent nutzen

Der Staatssekretär appellierte erneut an die Kommunen, vorhandene Lösungen von Bund und Ländern für digitale Angebote ihrer Verwaltungen zu nutzen. Das sei bisher nicht überall der Fall. Beispielsweise seien digitale Anträge auf Ehe- und Geburtsurkunden bisher nur in 60 Thüringer Kommunen verfügbar, es könnten aber 200 Verwaltungen sein. Internetbasierte Kfz-Zulassungsdienste gebe es bisher unter anderem in Erfurt, Gera, Jena, Weimar, Gotha, Sömmerda oder Nordhausen, dazu kämen mehrere Kreise wie beispielsweise Eichsfeld, Schmalkalden-Meiningen und Saale-Orla.

Fristgemäße Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes fraglich

Ziel der Digitalisierung ist, dass eine Vielzahl von Verwaltungsleistungen wie die Ausstellung von Führerscheinen, Schwerbehindertenausweisen oder Geburtsurkunden online erfolgen können. Nach dem Onlinezugangsgesetz soll das bis Ende 2022 der Fall sein. Schubert äußerte Zweifel, ob das noch realisierbar ist. Möglicherweise müsste das Gesetz angepasst werden, sagte er.

Oppsition: Know-how besser nutzen

Kritik an der Thüringer Digitalstrategie kam von den Oppositionsfraktionen CDU und FDP, aber auch von der Koalitionsfraktion der Grünen.

Thüringen hänge bei der digitalen Verwaltung zurück und sei eine «digitale Service-Wüste», meinte CDU-Fraktionschef Mario Voigt. Dabei gebe es Experten im Freistaat - ein führender Anbieter der E-Akte sitze in Erfurt. Voigt: «Das Know-how ist da, die Landesregierung muss es nur endlich nutzen.»

FDP-Gruppenchef Thomas Kemmerich bescheinigte der Landesregierung ein massives Umsetzungsproblem bei ihrer bereits vor fünf Jahren beschlossenen Digital-Strategie. Die Zuständigkeit dafür müsste in die Staatskanzlei.

Die Grünen-Fraktion sprach von einem enormen Nachholbedarf bei der Digitalisierung der Verwaltung. «Es gilt schon als Erfolg, wenn ein Zehntel der Kommunen und Gemeinden eine digitale Verwaltungsleistung vorhalten. Das kann weder der Anspruch noch das Ziel sein», sagte die Abgeordnete Madeleine Henfling.

Lesen Sie hierzu auch: 6. Monitor Digitale Verwaltung: Onlinezugangsgesetz nicht mehr bis Ende 2022 umsetzbar

dpa