Entscheidungsstichwort (Thema)
Fahrtkostenerstattung für ein Kraftfahrzeug und für eine Begleitperson
Leitsatz (redaktionell)
1. Im sozialgerichtlichen Verfahren gilt für alle Beteiligten eine Kostenminimierungspflicht, wonach die Kosten eines Rechtsstreits so gering wie möglich zu halten sind.
2. Wenn im sozialgerichtlichen Verfahren Fahrtkosten zu erstatten sind, werden grundsätzlich nur die Kosten der kürzesten Reiseroute erstattet, sofern sie zumutbar ist.
3. Einer Person mit Anspruch auf Fahrtkostenerstattung, die einen Schwerbehindertenausweis mit den Merkzeichen B (ständige Begleitung) und aG (außergewöhnliche Gehbehinderung) besitzt, sind auch die Kosten einer Begleitperson zu erstatten.
Normenkette
JVEG § 4 Abs. 1 S. 1, § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 1 Sätze 1-2; SGG § 191 Hs. 1
Tenor
Die Entschädigung der Erinnerungsführerin anlässlich des Erörterungstermins am 13. April 2012 wird auf 110,00 Euro festgesetzt.
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe
I.
Die Erinnerungsführerin begehrte im Hauptverfahren (Az.: L 1 U 1636/11) Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung. Mit Verfügung vom 9. März 2012 lud sie der Berichterstatter des 1. Senats zum Erörterungstermin im Thüringer Landessozialgericht in Erfurt am 13. April 2012, 10:00 Uhr und ordnete das persönliche Erscheinen an. Nach der Niederschrift des Erörterungstermins dauerte die Verhandlung von 10:25 bis 10:38 Uhr. Die Erinnerungsführerin nahm dort die Berufung zurück.
Ihren Antrag auf Erstattung von Fahrtkosten vom 10. April 2012 (Antritt der Reise um 7:00 Uhr, Ende um 13:30 Uhr; PKW-Benutzung, Fahrer und Mitfahrer angekreuzt) sandte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle am 23. April 2012 mit der Frage zurück, von wo aus die Erinnerungsführerin gefahren sei. Am 30. April ging der Antrag erneut beim Gericht ein. Er enthielt als zusätzliche Angabe das PKW-Kennzeichen und als Anlage eine Quittung der D. Dienstleistungen E. G. vom 13. April 2012 über 50,00 Euro für "Fahrer und Begleitung nach Erfurt und zurück". Am 10. Mai 2012 überwies die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB) 50,00 Euro. Unter dem 24. Mai 2012 gab die Erinnerungsführerin an, bei der Erstattung seien die Kosten für die Begleitung, nicht aber die Fahrtkosten des PKW berücksichtigt gewesen (A. nach E. und zurück in Höhe von 72,00 Euro ≪240 km x 0,30 Euro≫). Auf Hinweis der UKB, dass im Fahrtkostenantrag nur 50,00 Euro beantragt worden sei, gab die Erinnerungsführerin an, ihre Begleiterin G., die als Betreuerin von Senioren und Familien arbeite, habe sie wegen ihres Gesundheitszustandes begleiten müssen. Er werde durch ihren Schwerbehindertenausweis (GdB, Merkzeichen B, G, aG) nachgewiesen.
Die Erinnerungsführerin hat am 27. Juli die richterliche Festsetzung beantragt. Sie begehrt sinngemäß,
die Entschädigung anlässlich des Erörterungstermins am 13. April 2012 auf 110,00 Euro festzusetzen.
Der Erinnerungsgegner hat trotz Fristsetzung keine Stellungnahme abgegeben.
Auf Hinweis des Senatsvorsitzenden hat die Erinnerungsführerin am 7. September 2012 eine Rechnung der E. G.g Dienstleistungen vom 30. April 2012 eingereicht.
Die UKB hat der Erinnerung nicht abgeholfen (Verfügung vom 30. Juli 2012) und sie dem Senat zugeleitet.
II.
Nach § 4 Abs. 1 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) erfolgt die Festsetzung der Vergütung, der Entschädigung oder des Vorschusses durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche Feststellung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält (Satz 1). Das am 27. Juli 2012 eingegangene Schreiben ist als entsprechender Antrag auszulegen. Zuständig für die Entscheidung ist nach der senatsinternen Geschäftsverteilung der Senatsvorsitzende; er entscheidet als Einzelrichter (§ 4 Abs. 7 S. 1 JVEG).
Unter Berücksichtigung der Sach- und Rechtslage ist die Entschädigung antragsgemäß auf 110,00 Euro festzusetzen. Dem Antrag vom 10. April 2012 ist kein Hinweis zu entnehmen, dass lediglich 50,00 Euro beantragt wurden. Bei diesem Ansatz ("sonstige Kosten gegen Vorlage von Belegen") handelt es sich vielmehr offensichtlich um den Ansatz für die Begleitperson, was auch die UKB ursprünglich so gesehen hat.
Nach § 191 Halbs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) werden einem Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen - wie hier - angeordnet worden ist, auf Antrag bare Auslagen und Zeitverlust wie einem Zeugen vergütet. Zeugen erhalten nach § 19 Abs. 1 S. 1 JVEG als Entschädigung u.a. Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG) und Ersatz sonstiger Aufwendungen (§ 7 JVEG).
Die Entschädigung der Erinnerungsführerin errechnet sich wie folgt:
1. Fahrtkosten sind in der zuletzt beantragten Höhe von 60,00 Euro für 240 Kilometer (Altenburg - Erfurt und zurück) zu erstatten.
Nach § 191 Albs. 1 SGG i.V.m. § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 JVEG werden dem Beteiligten bei Benutzung eines eigenen oder unentgeltlich zur Nutzung überlassenen Kraftfahrzeugs zur Abgeltung der Betriebskosten sowie der Abgeltung der Abnutzung des Kraftfahrzeugs 0,25 € f...