Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. zulässige Berufung. Rechtsmittelberechtigung. Prozessstandschaft. haftungsbeschränkter Beigeladener. gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. sachlicher Zusammenhang. private oder offizielle Hochschulveranstaltung. organisatorischer Verantwortungsbereich der Hochschule. studentisches Ritual. Kittelverbrennung. Pharmaziestudentin
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Beigeladener als potentiell nach § 109 S 1 SGB 7 Haftungsbeschränkter kann in einem Berufungsverfahren die gerichtliche Feststellung eines Arbeitsunfalles im Wege der Prozessstandschaft begehren, wenn die Versicherte selbst keine Berufung eingelegt hat.
2. Für die Einstufung einer Traditionsveranstaltung ("Kittelverbrennung") als versicherte Hochschulveranstaltung und damit deren Einbeziehung in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung ist ausreichend, dass die Veranstaltung nach ihrem Gesamtbild zumindest unter organisatorischer Mitverantwortung der Hochschule stattfindet.
3. Die Teilnahme von Studierenden an einem von ihnen selbst maßgeblich gestaltetem Ritual (Kittelverbrennung) steht nicht unter dem Schutz der gesetzlichen (Studenten-)Unfallversicherung. Allein das Erbringen bestimmter Unterstützungsleistungen durch die Hochschule rechtfertigt nicht die Annahme ihrer Mitverantwortung für eine solche Traditionsveranstaltung.
Normenkette
SGG § 141 Abs. 1, § 69; SGB VII § 109 S. 1, § 8 Abs. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 8c
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Beigeladenen gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Altenburg vom 4. September 2014 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein Ereignis vom 18. Juli 2012, bei dem die Klägerin schwere Brandverletzungen erlitt, als Arbeitsunfall festzustellen ist.
Die 1987 geborene Klägerin war zum Zeitpunkt des Unfallereignisses als Studentin an der F.-Sch.-Universität J. im Fachbereich Pharmazie im 6. Fachsemester eingeschrieben. Dort wurde traditionellerweise nach Beendigung des Praktikums im 6. Semester von den Studierenden eine Abschlussfeier veranstaltet, bei der die Laborkittel in einer Metalltonne verbrannt wurden. Die Klägerin nahm ebenso wie der Beigeladene und weitere Personen an dieser sogenannten “Kittelverbrennung„ am 18. Juli 2012 teil. Gegen 21:50 Uhr kam es in der Tonne zu einer Verpuffung, bei der 13 Studenten, unter anderem die Klägerin, durch Verbrennungen teils schwer verletzt wurden. Die Klägerin wurde zunächst im Universitätsklinikum J. medizinisch versorgt; die Weiterbehandlung übernahm das Klinikum B. in H. Ausweislich eines Befundberichtes des Klinikums B. erlitt die Klägerin Verbrennungen des Grades 2 a der Schulter, des Armes und des Rumpfes.
Im Rahmen ihrer polizeilichen Vernehmung äußerte sich die Klägerin dahingehend, dass die Organisation der “Kittelverbrennung„ durch die Studenten erfolgt sei. Die Beklagte lehnte die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall mit Bescheid vom 31. Juli 2012 ab. Bei der Veranstaltung handele es sich um eine private Feier der Studenten, die zum eigenwirtschaftlichen und damit unversicherten Bereich gehöre. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 3. August 2012 Widerspruch ein. Für sie als Semestersprecherin sei es selbstverständlich gewesen, an der Veranstaltung teilzunehmen. Neben den Studenten hätten auch Mitarbeiter des Instituts an der Veranstaltung teilgenommen. Die organisatorische Verantwortung sei auch in Teilen der Hochschule zuzuordnen. Die Feier habe auf einem der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Gelände des Instituts stattgefunden.
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens zog die Beklagte eine Stellungnahme der F.-Sch.-Universität J. vom 17. Oktober 2012 bei. Danach wurde auf die Veranstaltung des 6. Fachsemesters etwa 14 Tage vorher durch einen Aushang am Schwarzen Brett des Instituts hingewiesen. Das Schreiben selbst existiere nicht mehr. Die Veranstaltung sei durch die Studierendenschaft veranstaltet worden. Es hätten 56 Personen des 6. Fachsemesters teilgenommen. Für die Mitarbeiter des Instituts habe die Möglichkeit bestanden, als Gast teilzunehmen. Als Nichtstudenten seien ungefähr 10 Personen, beispielsweise Freunde von Studierenden, anwesend gewesen. Derartige Veranstaltungen seien traditionell deutschlandweit üblich. In einem weiteren Schreiben vom 15. November 2012 führte die Klägerin aus, es habe zwar keine finanzielle, aber eine bedeutende materielle Unterstützung des Instituts in Form des Bereitstellens von Tischen und Stühlen gegeben. Auch Professoren hätten an der Veranstaltung teilgenommen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2012 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Allein der Umstand der Genehmigung der Kittelverbrennung durch das Institut und die Zurverfügungstellung von Materialien reiche nicht aus, um die Veranstaltung dem organisatorischen Verantwortungs...