Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bedarfsgemeinschaft. nicht erwerbsfähiger Ehegatte. Nachrang des Sozialgeldes nur bei tatsächlichem Anspruch auf Grundsicherung bei Erwerbsminderung
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Bedarfsgemeinschaft gehört nach § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst a SGB II der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte als Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen auch wenn dieser seinerseits nicht erwerbsfähig ist.
2. Der in § 5 Abs 2 Satz 2 SGB II (in der vom 1.8.2006 bis 31.3.2011 geltenden Fassung) in Ergänzung zu § 28 Abs 1 Satz 1 SGB II bestimmte Nachrang des Sozialgeldes kommt nur zum Tragen, soweit tatsächlich ein Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach den §§ 41-46 SGB XII besteht. Dies setzt voraus, dass sämtliche Anspruchsvoraussetzungen der §§ 41ff SGB XII gegeben sind.
Tenor
Unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Gotha vom 30. April 2013 sowie des Bescheides vom 15. Mai 2008 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 17. Mai 2008 und 3. Juni 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juli 2009 wird der Beklagte verpflichtet, dem Kläger Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum 1. Juni 2008 bis 30. Juni 2008 in Höhe von 125 Euro und für den Zeitraum 1. Juli 2008 bis 30. November 2008 in Höhe von 127 Euro monatlich zu gewähren.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Instanzen zu 70 vom Hundert zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob dem Kläger ein Anspruch auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) gegen den Beklagten für den Zeitraum 1. Juni 2008 bis 30. November 2008 zusteht.
Der 1955 geborene Kläger und Berufungsbeklagte (erstinstanzlich Kläger zu 1, im Folgenden Kläger) lebt mit seiner 1954 geborenen Ehefrau in einer Wohnung in der … in E., für die im streitigen Zeitraum eine monatliche Gesamtmiete in Höhe von 330 Euro (181,50 Euro Kaltmiete, 59,40 Euro Betriebskosten, 89,10 Euro Heizkosten) zu entrichten war.
Der Kläger ist aufgrund einer chronischen Herzerkrankung dauerhaft erwerbsgemindert. Mit Bescheid vom 30. November 2004 erkannte das Versorgungsamt E. einen Grad der Behinderung von 50 und das Merkzeichen “G„ an. Die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland bewilligte ihm mit Bescheid vom 21. September 2004 ab 1. November 2004 zunächst eine bis September 2006 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung, die mit Bescheid vom 1. August 2006 als Dauerrente weiter bewilligt wurde. Die Rente wurde bis 30. Juni 2008 in Höhe von 623,87 Euro und ab 1. Juli 2008 in Höhe von 628,88 Euro monatlich an den Kläger zu 1 gezahlt. Seit dem Jahr 2004 übt der Kläger eine geringfügige Beschäftigung im Bereich Hausmeisterservice bei der … Hausverwaltung aus. Aus dieser Tätigkeit erzielte er im streitigen Zeitraum Einkommen in Höhe von monatlich 200 Euro (brutto = netto).
Die Ehefrau des Klägers übt eine selbständige Tätigkeit als freie Künstlerin/Model aus, aus der sie Einkommen in wechselnder Höhe erzielt.
Seit Januar 2005 beziehen die Eheleute ergänzend Leistungen vom Beklagten. Am 15. Mai 2008 beantragten sie die Fortzahlung von Grundsicherungsleistungen für die Zeit ab 1. Juni 2008. Dem Antrag beigefügt war eine ärztliche Bescheinigung der den Kläger behandelnden Hausärztin SR I. L. vom 2. Mai 2008, in der bestätigt wurde, dass er an Hyperurikämie (Erhöhung der Harnsäure im Blut) erkrankt und daher eine purinreduzierte Kost angezeigt sei.
Mit Bescheid vom 15. Mai 2008 bewilligte der Beklagte der Ehefrau des Klägers für den Zeitraum 1. Juni 2008 bis 30. November 2008 Leistungen in Höhe von 250,77 Euro monatlich. Der Bescheid erging mit dem Verweis darauf, dass die Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens noch nicht feststehe, vorläufig. Dem Kläger wurden keine Leistungen bewilligt.
Gegen diesen Bescheid wurde am 2. Juni 2008 Widerspruch eingelegt.
Mit Änderungsbescheid vom 17. Mai 2008 wurden die der Ehefrau bewilligten Leistungen für den Zeitraum 1. Juli 2008 bis 30. November 2008 unter Berücksichtigung der gesetzlich vorgesehenen Anpassung der Regelleistung auf 254,77 Euro monatlich erhöht. In dem Bescheid wird darauf hingewiesen, dass die Vorläufigkeit des Ausgangsbescheides bestehen bleibt.
Datierend auf den 4. Dezember 2008 reichte die Ehefrau die abschließenden Angaben zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit im Zeitraum 1. Juni 2008 bis 30. November 2008 nebst Nachweisen ein. Danach erzielte sie in diesem Zeitraum Gesamteinnahmen von 320 Euro. Betriebsausgaben waren nicht entstanden.
Im Rahmen der Widerspruchsbearbeitung erließ der Beklagte am 3. Juni 2009 einen Änderungsbescheid, mit dem der Ehefrau nunmehr - weiterhin vorläufig mit dem Vermerk, dass die endgültige Entscheidung nur auf Antrag erfolge - Leistungen für den Monat Juni 2008 in Höhe von 283,55 Euro und für den Zeitraum 1. Juli 2008 bis 30. November 2008 in Höhe von 2...