Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. keine Beitragsfreiheit bei bestandskräftig festgestelltem Wegfall eines Krankengeldanspruchs und beantragter Rücknahme gem § 44 SGB 10. keine Sonderregelung für durch Gewalttat verursachte Arbeitsunfähigkeit. keine Anwendung der des sog Kaufmännischen Bestätigungsschreibens im Verhältnis von Sozialversicherungsträger und Versicherten. Auslegung von Erklärungen eines Behördenvertreters als Verwaltungsakt
Orientierungssatz
1. Beitragsfreiheit gem § 224 Abs 1 S 1 SGB 5 tritt auch dann nicht ein, wenn eine Krankenkasse bestandskräftig festgestellt hat, dass kein Anspruch mehr auf Krankengeld besteht und der Versicherte beantragt hat, im Wege des Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB 10 die Rücknahme des Bescheids zu erreichen.
2. Etwas anderes ergibt sich auch nicht, wenn der Versicherte vorträgt, seine Arbeitsunfähigkeit sei durch eine Gewalttat verursacht worden.
3. Die Grundsätze des sog Kaufmännischen Bestätigungsschreibens können ausschließlich zwischen Kaufleuten Anwendung finden, nicht aber im Verhältnis von Sozialversicherungsträger und Versicherten.
4. Erklärungen eines Behördenvertreters sind nicht als - grundsätzlich möglicher - mündlicher Verwaltungsakt auszulegen, wenn nicht mit dem notwendigen Vollbeweis festgestellt werden kann, dass dieser eine Regelung mit potentiell verbindlicher Rechtsfolge getroffen hat.
Normenkette
SGB V § 224 Abs. 1 S. 1, § 240 Abs. 1 S. 1; SGB XI § 20 Abs. 3; SGB X §§ 44, 34 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tenor
Die Klagen gegen die Bescheide vom 18. April 2011 werden abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger in der Zeit vom 1. Mai 2009 bis 31. Dezember 2012 zur Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung verpflichtet ist.
Der 1950 geborene Kläger war selbständiger Inkassounternehmer und ist seit dem 1.Oktober 1991 freiwilliges Mitglied der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1. (nachfolgend einheitlich: Beklagte zu 1.) und seit dem 1. Januar 1995 Mitglied der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 2. (nachfolgend einheitlich: Beklagte zu 2.).
Er war seit August 2007 arbeitsunfähig erkrankt und gab an, im Rahmen seiner Tätigkeit Opfer einer Gewalttat geworden zu sein. Die Beklagte zu 1. gewährte ihm Krankengeld; der Kläger war in dieser Zeit beitragsfrei. Mit Bescheid vom 21. April 2009 teilte ihm die Beklagte zu 1. mit, dass nach Erreichen der Höchstanspruchsdauer, Krankengeld nur noch bis zum 30. April 2009 gezahlt werden könne. Mit Überprüfungsbescheid vom 14. Oktober 2010 lehnte sie eine Rücknahme des Bescheides vom 21. April 2009 ab. Widerspruch und Klage waren erfolglos. Das beim Senat anhängige Berufungsverfahren (L 6 KR 1282/12) wurde noch nicht entschieden.
Die Beklagten zu 1. und 2. setzten durch jeweils gemeinsame Bescheide vom 20. und 28. Mai 2009 unter Beachtung einer Mindesteinnahmegrenze von 1.890 € die ab dem 1. Mai 2009 zu entrichtenden Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung unter Vorbehalt fest. Die endgültige Festsetzung sollte nach Vorlage des Einkommenssteuerbescheids erfolgen. In seinem Widerspruch vom 2. Juli 2009 berief sich der Kläger unter anderem darauf, ihm sei telefonisch zugesagt worden, dass er in der “Rehabilitationsphase„ zwar kein Krankengeld erhalte aber beitragsfrei gestellt sei. Die Beklagten zu 1. und 2. bestritten mit Schreiben vom 22. Juli 2009, dass eine solche Aussage gemacht worden sei. Mit Abhilfebescheid vom 25. August 2009 stuften sie den Kläger als bedürftigen Selbständigen ein und setzten die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung unter Beachtung einer Mindesteinnahmegrenze von 1.260 € neu fest, den Widerspruch wiesen sie mit gemeinsamen Widerspruchsbescheid vom 29. Dezember 2009 zurück.
Das Sozialgericht Gotha hat die am 29. Januar 2010 erhobene Klage mit Gerichtsbescheid vom 19. Juli 2010, dem Kläger zugestellt am 7. Juli 2010, abgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Beitragsbefreiung lägen nicht vor.
Mit seiner am Montag, den 9. August 2010 beim Thüringer Landessozialgericht eingegangenen Berufung begehrt der Kläger die Aufhebung der Beitragsbescheide. Es sei zu berücksichtigen, dass er Opfer einer Gewalttat geworden sei. Der erkennende Senat solle entscheiden, dass er als Opfer einer Gewalttat einer Sonderregelung unterliege, die eine Beitragserhebung von vornherein ausschließe. Darüber hinaus sei ihm am 17. April 2009 fernmündlich zugesagt worden, ihn für die Zeit der Rehabilitation ab dem 1. Mai 2009 beitragsfrei zu stellen. Das diese Erklärung nicht schriftlich fixiert sei, sei unschädlich, weil es sich bei der Beklagten nicht um eine Behörde handele und das Schriftformerfordernis nicht gelte. Im Übrigen habe er nach dem Telefonat den Inhalt in einem Schreiben “Einigung vom 17.04.2...