Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankengeld. Folgen der unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit
Orientierungssatz
Folgen der unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit sind grundsätzlich vom Versicherten zu tragen. Die Ausschlussregelung des § 46 Abs 1 Nr 2 SGB 5 ist strikt zu handhaben. Ausnahmen hiervon hat das BSG nur in engen Grenzen anerkannt (vgl BSG vom 8.11.2005 - B 1 KR 30/04 R = BSGE 95, 219 = SozR 4-2500 § 46 Nr 1). Hat ein Versicherter (1.) alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan, um seine Ansprüche zu wahren, wurde er (2.) daran aber durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung gehindert (zB durch die Fehlbeurteilung der Arbeitsunfähigkeit des Vertragsarztes und des MDK), und macht er (3.) seine Rechte bei der Kasse unverzüglich (spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB 5) nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend, kann er sich auf den Mangel auch zu einem späteren Zeitpunkt berufen (vgl BSG vom 8.11.2005 - B 1 KR 30/04 R aaO).
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 21. September 2015 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Zahlung von Krankengeld vom 21. Juli bis 2. September 2013 streitig.
Der 1956 geborene Kläger war bei der Beklagten als Beschäftigter pflichtversichert. Am 26. April 2013 kündigte die … GmbH das Arbeitsverhältnis zum 26. April 2013. Ab diesem Tag bescheinigte Dr. M. ihm Arbeitsunfähigkeit (im Folgenden: AU) wegen einer arteriellen Verschlusskrankheit. Der Kläger bezog ab dem 27. April 2013 Krankengeld. Mit Schreiben vom 8. Mai 2013 wies die Beklagte ihn u.a. darauf hin, dass zur Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft eine lückenlose ärztliche Feststellung der AU erfolgen müsse. Am 29. Mai 2013 bescheinigte Dr. W., ein Vertreter der erkrankten Dr. M., AU auch wegen Gonalgie bei Zustand nach PTA (= perkutane transluminale Angioplastie) und Stent links ab 21. Juni 2013. Anlässlich der persönlichen Vorstellung des Klägers am 15. Juli 2013 bescheinigte er AU wegen einer Kniearthrose rechts, befristet bis zum 20. Juli 2013. Einen zukünftigen Tag eines weiteren Praxisbesuchs gab Dr. W. nicht an; die weitere Behandlungsbedürftigkeit verneinte er. Zuvor hatte die Beklagte den … Niedersachsen e.V. (MDK) mit einer Prüfung der Dauer der AU beauftragt. Dr. J. führte in ihrer Stellungnahme vom 16. Juli 2013 aus, der Kläger könne bis zu mittelschwere Tätigkeiten unter Beachtung von Einschränkungen ausüben. Mit Bescheid vom 16. Juli 2013 teilte die Beklagte ihm mit, aufgrund der sozialmedizinischen Beurteilung des MDK sei der letzte Tag seiner AU der 19. Juli 2013, danach ende die Zahlung von Krankengeld. Aufgrund der persönlichen Vorstellung des Klägers am 22. Juli 2013 bescheinigte Dr. W. aufgrund einer aktivierten Gonarthrose AU bis 31. Juli 2013. Gegen die Beurteilung des Leistungsvermögens im Bescheid vom 16. Juli 2013 wandte sich Dr. W. mit einer Stellungnahme vom 5. August 2013.
Mit Bescheid vom 14. August 2013 teilte die Beklagte dem Kläger mit, aus ihrer Sicht sei eine weitere medizinische Sachaufklärung entbehrlich. Bei Annahme weiterer AU hätte er sich spätestens am 20. Juli 2013 in der Arztpraxis vorstellen müssen, um das Fortbestehen der AU über den 20. Juli 2013 hinaus feststellen und bescheinigen zu lassen. Da er sich jedoch erst am 22. Juli 2013 bei Dr. M. (richtig: Dr. W.) vorgestellt habe, ende die allein aufgrund des ununterbrochenen Krankengeldbezuges erhalten gebliebene Mitgliedschaft am 20. Juli 2013, sodass erst ab dem 23. Juli 2013, dem Tag nach der ärztlichen Feststellung, dem Grunde nach ein neuer Krankengeldanspruch vorliegen würde. Dieser läge außerhalb seiner Mitgliedschaft. Im Widerspruchsverfahren trug der Kläger vor, dass es sich bei dem 20. Juli 2013 um einen Samstag gehandelt habe, sodass er erst am Montag den 22. Juli 2013 Dr. W. erneut habe aufsuchen können. Er sei durchgängig arbeitsunfähig gewesen. Nach einer Bescheinigung vom 20. September 2013 des Dr. St., einem weiteren Vertreter der Dr. M., war er seit dem 15. Juli 2013 dauerhaft arbeitsunfähig. Soweit vom 20. bis 22. Juli 2013 eine Lücke bestehe, habe es sich hierbei um einen Dokumentationsfehler gehandelt. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 5. November 2013).
Mit Urteil vom 21. September 2015 hat das Sozialgericht (SG) die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, zuletzt habe das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 16. Dezember 2014 (Az.: B 1 KR 37/14 R) wiederholt bestätigt, dass das Krankengeld abschnittsweise gewährt werde und der Versicherte verpflichtet sei, die Fortdauer der AU grundsätzlich rechtzeitig vor Fristablauf erneut ärztlich feststellen zu lassen und seiner Krankenkasse zu melden, wolle er das Erlöschen oder das Ruh...