Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Klage gegen eine Entscheidung der Schiedsstelle nach § 80 SGB 12. Zulässigkeit der Anrufung der Schiedsstelle. Bestimmung des Streitgegenstandes durch die Vertragsparteien. Ablehnung aller Anträge der Vertragsparteien auf Festsetzung einer höheren Vergütung
Orientierungssatz
1. Die Schiedsstelle ist nach § 77 Abs 1 S 3 SGB 12 verpflichtet, über die Gegenstände, über die keine Einigung erreicht worden ist, unverzüglich zu entscheiden, wenn sie ordnungsgemäß angerufen worden ist.
2. Die Schiedsstelle muss sich bei ihrer Entscheidung an den durch die Parteien vorgegebenen Streitgegenstand halten (vgl BSG vom 23.7.2014 - B 8 SO 2/13 R = BSGE 116, 227 = SozR 4-3500 § 77 Nr 1).
3. Lehnt die Schiedsstelle alle von den Vertragsparteien gestellten und auf Festsetzung einer höheren Vergütung gerichteten Sachanträge unterschiedslos ab, ist dies keine Entscheidung über streitige Gegenstände.
4. Eine Nichtentscheidung über zwischen den Parteien streitige Gegenstände widerspricht zudem der Aufgabe der Schiedsstelle als Vertragshilfeorgan.
Tenor
Die Beschlüsse der Schiedsstelle vom 27. Oktober 2015 werden aufgehoben.
Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin und die Gerichtskosten zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird endgültig auf 5.000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit eines Schiedsspruchs nach § 80 SGB XII über einen Antrag auf Festsetzung der Vergütung einer von der Klägerin betriebenen Tagesstätte für psychisch kranke und behinderte Menschen “…„ in St. im 2. Halbjahr 2015 sowie der Abschluss einer neuen Leistungsvereinbarung streitig. Daneben wird auch die Gebührenfestsetzung für dieses Verfahren angefochten.
Die Klägerin betreibt Einrichtungen zur Eingliederungshilfe i.S.d. § 13 SGB XII im Freistaat Thüringen. Betroffen ist hier Tagesstätte für psychisch kranke und behinderte Menschen “…„ in St. Laut Prüfvermerk vom 8. August 2015 bestand eine Kapazität von 15 Plätzen. Für die Tagesstätte richtete sich die Vergütung nach der Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung vom 18. Juni 2014. Die Leistungsvereinbarung setzt eine Kapazität von 15 Plätzen fest und enthält Festlegungen für die personelle Ausstattung wie folgt: Leitung mit Sozialdienst 1:20, Gruppenbetreuer einschließlich hauswirtschaftlicher Bereich 1:4; Verwaltung 1:40; Reinigungs- und Küchenarbeiter 1:40 - Kalkulation auf Basis einer 98 % Auslastung. In der vom 1. Juli 2014 bis 30. Jun 2015 geltenden Vergütungsvereinbarung war ein Entgelt von insgesamt 76,81 Euro/BT festgesetzt.
Mit Schreiben vom 15. Mai 2015, beim Beklagten am 20. Mai 2015 eingegangen, forderte die Klägerin zu Neuverhandlungen der Vergütung und der Leistungs- und Prüfungsvereinbarung auf, insbesondere unter Berücksichtigung der Tariferhöhung und der Sachkostensteigerung. Mit Schreiben vom 22. Mai 2015 trat der Beklagte dem entgegen, da die Steigerung des Entgeltsatzes unverhältnismäßig und damit nicht plausibel sei. Ein Problem sei die Verwendung von Stellennummern, anstelle der Personalnummern. Der Entwurf Leistungsvereinbarung enthalte Elemente, die nicht Bestandteil der Leistungstypen seien (Trägerumlage, Weiterbildung, Qualitätsmanagement). Im Übrigen sei eine Bearbeitung erst nach Zuleitung über den Spitzenverband möglich.
Daraufhin beantragte die Klägerin eingehend am 1. Juli 2015 bei der Schiedsstelle die Festsetzung einer neuen Leistungs-, Prüfungs- und Vergütungsvereinbarung ab 1. Juli 2015, hilfsweise ab Eingang bei der Schiedsstelle, bis 31. Dezember 2015 iHv 84, 74 Euro/BT, hilfsweise die Festsetzung einer Vergütung in dieser Höhe auf Grundlage der alten Leistungsvereinbarung. Die Verhandlungen seien gescheitert.
Dem trat der Beklagte entgegen. Die Leistungsvereinbarung sei nicht schiedsstellenfähig. Als Vergütung komme allenfalls ein Betrag von 73,70 Euro/BT in Betracht.
Mit Schreiben vom Juni 2015 fragte der Schiedsstellenvorsitzende bei der Klägerin an, ob zwischen Haupt- und Hilfsantrag kein Unterschied in dem sich daraus jeweils ergebenden Entgelt bestehe. Dies verneinte die Klägerin; im Übrigen sei die Leistungsvereinbarung schiedsstellenfähig; in kleinen Einrichtungen müssten einzelne Mitarbeiter auch mehrere Stellen übernehmen.
Am 27. Oktober 2015 hat die Klägerin in der nicht öffentlichen Verhandlung vor der Schiedsstelle beantragt, für die Tagesstätte im 2. Halbjahr 2015, hilfsweise ab Antragseingang bei der Schiedsstelle, ein Entgelt von 84,74 Euro/BT auf Grundlage einer neuen Leistungsvereinbarung, hilfsweise auf Grundlage der bisherigen Leistungsvereinbarung festzusetzen. Die Gegenseite hat eine Festsetzung in Höhe von 73,70 Euro beantragt.
Mit Beschluss vom selben Tag hat die Schiedsstelle “den Antrag„ abgelehnt. Maßgeblich sei die gültige Leistungsvereinbarung. Daran sei die Schiedsstelle gebunden. Ohne Leistungsvereinbarung dürfe die Schiedsstelle nicht entscheiden. Der Hilfsantrag sei unbegründet, weil keine an der bisherigen Leistungsvere...