Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. zugelassene Berufung. Unzulässigkeit wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses. Bagatellstreitwert. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsberechnung. Rundungsregelungen gem § 41 Abs 2 SGB 2. verfassungskonforme Auslegung
Orientierungssatz
1. Einer Klage, mit der allein die Verletzung der Rundungsregelung nach dem SGB 2 geltend gemacht wird, fehlt es am allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis (vgl BSG vom 12.7.2012 - B 14 AS 35/12 R = BSGE 111, 234 = SozR 4-1500 § 54 Nr 28).
2. Diese Rechtsprechung muss auch für das Rechtsmittel der Berufung gelten, wenn die Berufung zwar vom Sozialgericht zugelassen wurde, jedoch im vorliegenden Einzelfall ein Bagatellstreitwert von nur 0,10 Euro vorliegt, um den die Erstattungsforderung des Grundsicherungsträgers unter Berücksichtigung der Rundungsregelungen des § 41 Abs 2 SGB 2 vermindert werden soll.
3. Das Kosteninteresse hat wegen § 144 Abs 4 SGG außer Betracht zu bleiben.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 14. Juni 2012 wird verworfen.
Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Beklagte wendet sich im Berufungsverfahren gegen das Urteil des Sozialgerichts, wonach der für den Monat Juli 2009 gegenüber der Klägerin geltend gemachte Erstattungsanspruch wegen erbrachter Leistungen zur Grundsicherung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) um 0,10 € reduziert wird.
Die Klägerin bezog auch im Juli 2009 vom Beklagten Grundsicherungsleistungen. Die Höhe der Leistungen im Bewilligungszeitraum 1. April 2009 bis 30. September 2009 war zwischen den Beteiligten streitig. In dem dazu geführten Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Nordhausen ( Az.: S 28 AS 2583/09) schlossen die Beteiligten am 18. November 2010 einen Vergleich, in dem sich der Beklagte verpflichtete, die Leistungen für die Monate Juli 2009 bis März 2010 unter gewissen Vorgaben neu zu berechnen. In Ausführung dieses Vergleichs erließ der Beklagte am 14. April 2011 einen Änderungsbescheid zum Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 26. August 2009, mit dem er nunmehr die zuvor mit Bewilligungsbescheid vom 4. März 2009 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 18. Juni 2009 bewilligten Leistungen für den Monat Juli 2009 teilweise in Höhe von 328,12 € aufhob und die Erstattung verlangte.
Den dagegen gerichteten Widerspruch verwarf der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 2011 als unzulässig, weil der Änderungsbescheid vom 14. April 2011 Gegenstand des durch den Vergleich beendeten Klageverfahrens geworden sei.
Mit ihrer Klage vor dem Sozialgericht Nordhausen wandte sich die Klägerin gegen diese Vorgehensweise und begehrte, dass von ihr für den Monat Juli 2009 nur Leistungen in gesetzlicher Höhe zu erstatten seien, wobei sie die Rechtswidrigkeit des Änderungsbescheides vom 14. April 2011 mit der Nichtbeachtung der Rundungsregelung begründete. Außerdem beantragte die Klägerin im Klageverfahren die Kostenentscheidung des Widerspruchsbescheids abzuändern. Das Sozialgericht Nordhausen gab der Klage mit Urteil vom 14. Juni 2012 teilweise statt und verurteilte die Beklagte unter Beachtung der Rundungsregelung zur Reduzierung der Erstattungsforderung um 0,10 €. Die darüber hinaus gehende Klage wurde abgewiesen.
Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Er ist der Ansicht, dass bereits die Klage unzulässig gewesen sei, weil mangels Bevollmächtigung kein ordnungsgemäßes Vorverfahren durchgeführt worden sei. Darüber hinaus habe der Klage auch das Rechtsschutzbedürfnis gefehlt, weil allein die Verletzung der Rundungsregelung die Inanspruchnahme des gerichtlichen Rechtschutzes nicht rechtfertige. Letztlich sei die Klägerin auch tatsächlich noch mehr überzahlt gewesen; wenn man die Zahlung von 14,16 € monatlich in die betriebliche Altersvorsorge nicht vorab vom Nettoeinkommen abziehe, sondern später als Absetzungsbetrag nach § 11 Abs. 2 SGB II berücksichtige, würde sich ein Erstattungsbetrag in Höhe von 342,02 € ergeben.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 14. Juni 2012 abzuändern und die Klage auch im Übrigen abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Es bestehe ein Anspruch auf Rundung. Der Beklagte selbst sei im Widerspruchsverfahren von einer Bevollmächtigung ausgegangen und habe den Widerspruchsbescheid an den jetzigen Prozessbevollmächtigten übersandt. Etwaige Mängel der Vollmacht seien durch die Vorlage einer entsprechenden Vollmacht im Klageverfahren geheilt. Darüber hinaus sei jede Erstattungsforderung, die den Betrag von 66,87 € übersteige, rechtswidrig, denn der Beklagte habe in seinem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid ausschließlich den Änderungsbescheid vom 18. Juni 2009 aufgehoben, den Änderungsbescheid vom 11. Juni 2009 sowie den Bewilligungsbescheid vom 4. März 2009 aber nicht erwähnt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Stre...