Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe: Ermittlung der einkommensmindernden Fahrtkosten zum Arbeitsplatz

 

Leitsatz (amtlich)

Die Kosten für die Fahrt zum Arbeitsplatz, welche das im Rahmen der Prozesskostenhilfe einzusetzende Einkommen mindern, ermittelt der Senat in Anlehnung an Ziff. 10.2.2. der Thüringer Leitlinien.

 

Normenkette

ZPO §§ 114, 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 1b

 

Verfahrensgang

AG Sömmerda (Beschluss vom 24.04.2008; Aktenzeichen 2 F 360/07)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Bezirksrevisors beim LG Erfurt wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Sömmerda vom 24.4.2008 (Az. 2 F 360/07) abgeändert.

Der Beklagte hat ab dem 1.10.2009 monatliche Raten i.H.v. 15 EUR an die Landeskasse zu zahlen.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Eine Kostenentscheidung sowie die Festsetzung des Beschwerdewertes sind im Verfahren über die Prozesskostenhilfe nicht veranlasst.

 

Gründe

I. Das AG - Familiengericht- Sömmerda hat dem Beklagten mit Beschluss vom 24.4.2008 Prozesskostenhilfe für den Abschluss eines Vergleiches im Prozesskostenhilfeerörterungstermin vom 15.11.2007 unter Beiordnung von Rechtsanwältin N., J. - rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragstellung - ratenfrei bewilligt.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Bezirksrevisors vom 5.6.2008, der angeführt hat, die monatlichen Fahrtkosten seien nach § 3 Abs. 6 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII vom 28.11.1962 zu berechnen.

Der Bezirksrevisor hat mit Schriftsatz vom 5.1.2009 beantragt, dem Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses monatliche Raten i.H.v. 45 EUR auf die entstandenen und entstehenden Prozesskosten aufzuerlegen.

Das AG hat mit Beschluss vom 24.3.2009 der sofortigen Beschwerde der Staatskasse nicht abgeholfen und zur Begründung ausgeführt, es sei von einem anrechenbaren Nettoeinkommen i.H.v. 1782,11 EUR für 2008 auszugehen. Bringe man hiervon den Erwerbstätigenfreibetrag i.H.v. 176 EUR, den Freibetrag für die Partei i.H.v. 386 EUR, die Lohnpfändung i.H.v. 43,42 EUR, die Fahrtkosten i.H.v. 440 EUR, den gezahlten Kindesunterhalt i.H.v. 494 EUR und die Mietkosten i.H.v. 231 EUR in Abzug, so verbleibe ein Einkommen i.H.v. 11,75 EUR (rechnerisch 11,69 EUR). Da bis zu einem einzusetzenden Einkommen von 15 EUR/Monat keine Rate festzusetzen sei, sei der Beschwerde nicht abzuhelfen.

Bei der Berechnung der Fahrtkosten folge das Gericht der ständigen Rechtsprechung des OLG Jena. Zugrundezulegen seien die hier sich aus den "Unterhaltsrechtlichen Leitlinien" der Familiensenate ergebenden Km Pauschalen (seit dem 1.1.2008 = 0,30 EUR pro gefahrenem Km). Hierin seien sämtliche Kosten für Finanzierung und Unterhaltung des Pkw anteilig enthalten.

Der Bezirksrevisor hat in seiner Stellungnahme vom 9.4.2009 darauf hingewiesen, dass für die Berechnung nicht auf die unterhaltsrechtlichen Leitlinien, sondern auf die zu § 82 SGB XII ergangene Durchführungsverordnung vom 28.11.1962 abzustellen sei. Dort sei unter § 3 Abs. 6 Ziff. 2 geregelt, dass ein monatlicher Pauschbetrag von 5,20 EUR für jeden vollen Kilometer - begrenzt auf höchstens 40 km - in Abzug gebracht werden könne, soweit der Beklagte seinen eigenen Kraftwagen für den Weg zur Arbeit nutze. Unter Zugrundelegung der Höchstgrenze ergebe sich ein möglicher abzugsfähiger Betrag i.H.v. 208 EUR. Die Anwendung der Durchführungsverordnung sei durch das OLG Jena (Beschl. v. 18.9.2008 - 2 WF 324/08) bestätigt worden. In den Gründen der Entscheidung sei explizit darauf hingewiesen worden, dass im Rahmen der Prozesskostenhilfe nicht auf die "Unterhaltsrechtlichen Leitlinien", sondern auf die o.g. Durchführungsverordnung abzustellen sei.

Mit Verweis in § 115 ZPO auf § 82 Abs. 2 SGB XII finde die für diese Vorschrift erlassene Durchführungsverordnung Anwendung. Die Verordnung sei zuletzt durch Art. 12 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 bzw. dem Verwaltungsvereinfachungsgesetz vom 14.3.2005 geändert worden. Der Verordnungsgeber habe in diesem Zusammenhang den Pauschbetrag von 5,20 EUR unangetastet gelassen und nicht auf die mittlerweile erheblichen Preissteigerungen - gerade im Bereich der Kraftstoffkosten - reagiert. Der Betrag von 5,20 EUR sei somit weiterhin maßgebend.

Es ergebe sich ein einzusetzendes Einkommen i.H.v. 187,15 EUR, das eine monatliche Rate i.H.v. 60 EUR rechtfertige.

II. Die gem. § 127 Abs. 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden; sie ist teilweise begründet. Der Beklagte hat nach Abzug der gem. § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO zu berücksichtigenden Positionen - mit Ausnahme der Zeit der Kurzarbeit - ein einzusetzendes Einkommen i.H.v. 17,41 EUR, welches eine monatliche Rate i.H.v. 15 EUR rechtfertigt.

Der Beklagte verfügt über ein Einkommen von 1782,11 EUR monatlich. Das Einkommen des Beklagten ist um eine anteilige monatliche Steuerstattung i.H.v. 46,67 EUR zu erhöhen und beträgt insgesamt 1828,78 EUR.

Der Beklagte hat im Zuge des Beschwerd...

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