Leitsatz (amtlich)
Eine Aktenversendungspauschale kann nur angesetzt werden, wenn die Aktenversendung auf Antrag erfolgt. Sofern der Aktenübersendung ein Amtshilfeersuchen zugrunde liegt, kommt ein Kostenansatz nicht in Betracht.
Für die Versendung von Verfahrensakten an eine Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung kann keine Aktenversendungspauschale erhoben werden, weil die Versendung im Rahmen der Amtshilfe erfolgt und dafür weder das GKG/KV noch die JVKostO/KostO noch sonstige Vorschriften einen Auslagenerstattungsanspruch vorsehen (Anschluss an OLG Brandenburg vom 08.02.2007, Az.: 1 Ws 209/06, bei [...]).
Verfahrensgang
LG Erfurt (Entscheidung vom 18.07.2007; Aktenzeichen 6 Qs 222/07) |
AG Sömmerda (Aktenzeichen 1 Gs 131/06) |
LG Mühlhausen (Aktenzeichen 1 Qs 109/07) |
Tenor
Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Die Staatsanwaltschaft Erfurt führte ein Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten wegen gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr, das sie mit Verfügung vom 13.09.2006 gemäß § 170 Abs. 2 StPO einstellte. Mit Schreiben vom 05.10.2006 bat die Eisenbahn-Unfallkasse (EUK) um Übersendung der Ermittlungsakte, wobei sie zugleich darauf hinwies, dass sie als Körperschaft des öffentlichen Rechts im Rahmen ihrer Verwaltungsaufgaben handele und daher ihrer Auffassung nach für die Aktenversendung keine Auslagen zu erheben seien. Die Staatsanwaltschaft hat die Akten versandt und mit Schreiben vom 13.10.2006 gemäß Nr. 9003 KV GKG eine Auslagenpauschale für die Aktenversendung von 12,- Euro in Rechnung gestellt.
Die mit Schreiben vom 18.10.2006 und 29.11.2006 von der EUK gegen die Kostenanforderung erhobenen Einwände hat das Amtsgericht Sömmerda als Erinnerung ausgelegt und mit Beschluss vom 27.04.2007 entschieden, dass die Erinnerungsführerin nicht zur Zahlung der Aktenversendungspauschale verpflichtet sei. Zur Begründung hat es - unter Bezugnahme auf obergerichtliche Rechtsprechung (Beschluss des OLG Brandenburg vom 08.02.2007, Az.: 1 Ws 209/06) - ausgeführt, dass die Landeskasse für eine wie vorliegend gemäß § 474 Abs. 2 StPO erfolgte Aktenversendung keine Auslagen geltend machen könne, weil dies im Gesetz nicht geregelt sei. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat das Amtsgericht die Beschwerde gegen die von ihm erlassene Entscheidung zugelassen.
Die Bezirksrevisorin beim Landgericht Erfurt hat sodann mit Schreiben vom 15.06.2007 Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt und die Auffassung vertreten, dass für die erbetene Akteneinsicht zur Feststellung möglicher Ersatzansprüche gegen den Schadensverursacher keine Kostenbefreiung für Sozialversicherungsträger nach § 64 SGB X bestehe.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht Erfurt zur Entscheidung vorgelegt.
Mit Beschluss vom 18.07.2007 hat das Landgericht Erfurt die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts als unbegründet verworfen und die weitere Beschwerde zugelassen. Auch das Landgericht stützt seine Entscheidung auf den Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 08.02.2007.
Gegen den Beschluss des Landgerichts vom 18.07.2007 wendet sich die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Erfurt mit ihrer weiteren Beschwerde vom 22.08.2007. Sie macht in Fortsetzung ihres bisherigen Vorbringens weiterhin geltend, dass den Sozialhilfeträgern für die Durchsetzung privatrechtlicher Regressansprüche keine Kostenfreiheit nach § 64 SGB X zustehe.
II.
1.
Die von der Strafkammer zugelassene weitere Beschwerde ist nach § 66 Abs. 2 GKG statthaft und auch sonst zulässig.
Durch Beschluss vom 15.02.2008 wurde die Sache wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung auf den Senat übertragen (§ 66 Abs. 6 GKG).
2.
Die weitere Beschwerde ist nicht begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts (§ 66 Abs. 4 S. 2 GKG).
Auch der Senat ist der Auffassung, dass die Staatsanwaltschaft für die Aktenversendung an die EUK bereits deshalb keine Kosten geltend machen kann, weil diese im Rahmen der Amtshilfe erfolgte und dafür weder das GKG/KV noch die JVKostO/KostO einen Auslagenerstattungsanspruch vorsehen (vgl. Beschluss des OLG Brandenburg vom 08.02.2007, Az.: 1 Ws 209/06, zitiert nach [...]).
Die Bitte der Beschwerdegegnerin um Übersendung von Straf- oder Ermittlungsakten - ob gegenüber der Staatsanwaltschaft oder gegenüber einem Gericht - stellt sich als ein Ersuchen um Amtshilfe dar.
Artikel 35 GG ermächtigt und verpflichtet alle Behörden des Bundes und der Länder zur gegenseitigen Rechts- und Amtshilfe (vgl. Jarass/Pieroth, GG, 9. Aufl., Art. 35, Rdnr. 1; v. Danwitz in Mangoldt/Klein/Starck, GG II, 4 Aufl., Art. 35 Rdnr. 12 und 23). Auch wenn im Schrifttum und in der Rechtsprechung die Begriffe der Amts- und Rechtshilfe unterschiedlich definiert werden, besteht Einigkeit dahingehend, dass diese Unterscheidung für die sich aus der Vorschrift ergebende Verpflichtung zur Hilfeleistung ohne praktische Bedeutung ist...