7.1 Allgemeines
Rz. 109
§ 1 Abs. 6 bestimmt, unter welchen näheren Umständen die Anspruchsvoraussetzung des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, also die Voraussetzung einer reduzierten Erwerbstätigkeit in der Person des Berechtigten, erfüllt ist. Das Gesetz bezweckt, Eltern den Einkommensausfall auszugleichen, wenn sie ihre Erwerbstätigkeit einschränken oder aufgeben, um sich der Betreuung ihres Kindes zu widmen. Voraussetzung ist deshalb, dass der antragstellende Elternteil im Bezugszeitraum entweder keine Erwerbstätigkeit ausübt oder jedenfalls seine (volle) Erwerbstätigkeit gegenüber dem Umfang vor der Geburt des Kindes reduziert hat. Abs. 6 setzt seit dem 1.9.2021 für die Erwerbstätigkeit eine noch zulässige Obergrenze von 32 Stunden für die wöchentliche Arbeitszeit fest. Besonders privilegiert sind anspruchsberechtigte Eltern, die als Tagespflegepersonen tätig sind, denn deren Tätigkeit gilt nicht als volle Erwerbstätigkeit, wenn nicht mehr als 5 Kinder betreut werden. Auch die Beschäftigung zur Berufsbildung gilt unabhängig von ihrem Zeitaufwand als nicht volle Erwerbstätigkeit.
7.2 Die 32-Stunden-Grenze für Erwerbstätige
Rz. 110
Berechtigte i. S. d. § 1 dürfen entweder keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausüben. Die Vorschrift stellt mit dem Begriff der Erwerbstätigkeit auf alle im Erwerbsleben stehenden Personen ab. Erwerbstätigkeit ist eine auf die Erzielung von Einkünften gerichtete Tätigkeit. Sie kann als abhängige Beschäftigung, als Tätigkeit in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis, als selbstständige Tätigkeit oder durch die Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger ausgeübt werden. Sogar bei einer im Rahmen des Strafvollzugs ausgeübten Beschäftigung wird eine Erwerbstätigkeit i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 6 BEEG bejaht.
Rz. 111
Für die Einhaltung der 32-Stunden-Grenze ist keine Arbeitszeitreduzierung erforderlich. Auch Personen, die vor der Geburt nicht erwerbstätig waren, sind dem Grunde nach anspruchsberechtigt, da sie nicht voll erwerbstätig sind. Für die Anspruchsberechtigung genügt es, dass die Beschäftigung die Zeitgrenze nicht übersteigt. Aber: Ohne Arbeitszeitreduzierung wird es regelmäßig an einer Verringerung des zu ersetzenden Einkommens fehlen; es kommt dann aber der Bezug von Mindestelterngeld in Betracht (vgl. § 2 Abs. 4 Satz 1 BEEG).
Rz. 112
Für die Anspruchsberechtigung setzt Abs. 6 in seiner ersten Alternative eine Arbeitszeitgrenze, bis zu der die Erwerbstätigkeit "keine volle Erwerbstätigkeit" i. S. d. BEEG ist. Sobald die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit im Bezugsmonat die Grenze von 32 Stunden übersteigt, besteht für diesen Anspruchszeitraum dem Grunde nach kein Anspruch auf Elterngeld mehr. Maßgeblich sind die tatsächlich gearbeiteten Stunden im jeweiligen Lebensmonat, für den Elterngeld beansprucht wird. Nicht entscheidend ist somit, ob der Berechtigte eine durchschnittliche Arbeitszeit von 32 Wochenstunden im Kalendermonat aufweisen kann.
Lebensmonate des Kindes sind entscheidend
Das Abstellen auf Lebensmonate des Kindes anstelle von Kalendermonaten kann im Einzelfall abrechnungstechnisch nur schwierig umzusetzen sein. Der hiermit verbundene Aufwand für Arbeitgeber wird jedoch für vertretbar erachtet.
Die 32-Stunden-Grenze gilt unabhängig von der Art der ausgeübten Erwerbstätigkeit. Für die große Gruppe der abhängig Beschäftigten (vgl. § 7 Abs. 1 SGB IV) gelten für eine vollschichtige Tätigkeit tarifliche Wochenarbeitszeiten von z. B. 35 Stunden in der Metall- und Elektroindustrie. In solchen Fällen genügt schon die verhältnismäßig geringe Reduzierung der Arbeitszeit, um Anspruch auf Elterngeld zu haben (speziell zur Arbeitszeitberechnung von Lehrern: BSG, Urteil v. 10.2.2005, B 10 EG 5/03 R).
Rz. 113
Wer aufgrund einer (bezahlten/endgültigen) Freistellung von der Arbeitsleistung durch seinen Arbeitgeber einer Arbeit tatsächlich nicht nachgeht, übt keine Erwerbstätigkeit i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 aus. Nach der Rechtsprechung des BSG führt die Inanspruchnahme von Erholungsurlaub im unverändert fortbestehenden Arbeitsverhältnis nicht dazu, dass keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Hingegen hatte vorinstanzlich das BayLSG die Ausübung einer Erwerbstätigkeit i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 6 bei der Inanspruchnahme von (bezahltem) Erholungsurlaub abgelehnt und folglich einen Anspruch auf Elterngeld bejaht, da ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs von der Arbeitspflicht freizustellen habe und allein das unveränderte Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses nicht zum Ausüben einer Erwerbstätigkeit führe.
Rz. 114
Ebenfalls ohne eine abschließende Festlegung zu treffen, hat das BSG ausgeführt, dass vor dem Hintergrund des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und der angestellten Überlegungen zum Bezug von Elterngeld bei Freistellung von der Arbeitsleistung ein Anspruch auf Elterngeld auch bei...