Die Verpflichtung der Unfallversicherungsträger, die Beitragshöhe im Rahmen eines Beitragsausgleichsverfahrens durch Zuschläge und/oder Nachlässe zu gestalten, beruht auf § 162 Abs. 1 SGB VII und ist vom Gesetzgeber in der Absicht geschaffen worden, die Unfallverhütungsbemühungen der Mitgliedsunternehmen zu intensivieren.
Dabei hat der Gesetzgeber den Unfallversicherungsträgern die Entscheidung darüber belassen, nach welchen Kriterien sie ein Zuschlags-, ein Nachlassverfahren oder eine Kombination beider Verfahren durchführen.
Das Bundessozialgericht führte dazu aus:
Zitat
Der Gesetzeszweck erschöpft sich gerade nicht einseitig in der Zielrichtung, die Unfallverhütung zu verstärken … Mit dieser Neufassung war nicht nur beabsichtigt, einen finanziellen Anreiz zur Unfallverhütung zu bieten, sondern auch die genossenschaftlich haftenden Mitglieder an dem finanziellen Ergebnis eines Geschäftsjahres teilhaben zu lassen.
Es ist also letztlich Sache der Selbstverwaltungsorgane, ein Verfahren zu entwickeln, das die Belange der Mitgliedsunternehmen ausreichend berücksichtigt.
Neben der Verpflichtung, ein Beitragsausgleichverfahren durchzuführen, haben die Berufsgenossenschaften die freiwillige Möglichkeit, zusätzliche Präventionsanreize durch ein Prämienverfahren zu setzen.
Entwicklung von Anreizsystemen ist Sache jeder Berufsgenossenschaft
Die Berufsgenossenschaften müssen ein Verfahren entwickeln, das den gesetzlichen Zielsetzungen nachkommt, beitragsgerecht ist und den versicherungsmathematischen Risikoausgleich nicht stört. Daher hat jede Berufsgenossenschaft ein individuelles Verfahren, mit dem sie den gesetzlichen Auftrag des § 162 SGB VII erfüllt.
Ursachen einer Beitragsveränderung
Es gibt folgende Möglichkeiten der Beitragsveränderung:
- Auferlegung von Zuschlägen
- Gewährung von Nachlässen
- Auferlegung von Zuschlägen kombiniert mit der Gewährung von Nachlässen
- Gewährung von Prämien statt Nachlässe
- Gewährung von Prämien zu den Nachlässen
Je nach betrieblichem Unfallgeschehen werden Unternehmen gegenüber dem Normalbeitrag be- bzw. entlastet. Das Verfahren soll den Unternehmen die Möglichkeit geben, durch Verminderung der Unfallzahlen den zu zahlenden Beitrag mitzubestimmen. Geringe Unfallzahlen oder -kosten bedeuten dann geringere Beiträge oder keine Zuschläge.
Einfluss von Bagatellunfällen auf die Beitragshöhe
Der Gesetzgeber gibt den Berufsgenossenschaften die Möglichkeit, auch nicht meldepflichtige Arbeitsunfälle (sog. Bagatellunfälle mit einer Arbeitsunfähigkeit von weniger als 3 Tagen) in das Ausgleichsverfahren einzubeziehen. Betriebswegeunfälle und Wegeunfälle bleiben außer Betracht. Ebenfalls außer Betracht bleiben können: Berufskrankheiten und Unfälle, die durch höhere Gewalt oder durch alleiniges Verschulden von Personen, die nicht zum Unternehmen gehören, verursacht worden sind. Neben der Zahl der Unfälle können auch deren Schwere und die entstehenden Kosten bzw. eine beliebige Kombination der Merkmale zugrunde gelegt werden.
Der Zweck des Bonus-Malus-Systems (Nachlässe-Zuschläge) wird dann verfehlt, wenn der Unternehmer die Unfallverhütungsvorschriften vollständig beachtet hat, der Versicherungsfall aber auf das alleinige Verschulden des Arbeitnehmers zurückzuführen ist.
Trotz Nachlass immer Prävention
Das System sollte nicht zu dem Ergebnis führen, dass Unternehmer meinen der Prävention genügt zu haben, wenn sie einen Nachlass erhalten.
Es sind Fälle denkbar, in denen trotz unzulänglicher Einhaltung von Unfallverhütungsvorschriften Versicherungsfälle nicht vorkommen. Ein solches Unternehmen würde dann vom Bonus-System begünstigt bzw. vom Malus-System nicht betroffen werden.
Die Unfallversicherungsträger können unter Berücksichtigung der Wirksamkeit der von den Unternehmen getroffenen Präventionsmaßnahmen Prämien gewähren. Nur wenige Berufsgenossenschaften haben ein Prämienverfahren geschaffen, das konkrete Maßnahmen mit nennenswerten Beträgen – z. B. durch die Bezuschussung dieser Maßnahmen – prämiert. Die Bewertung der Wirksamkeit präventiver Maßnahmen ist sehr schwierig.