Zusammenfassung
Ein Leistungsträger kann eine Geldleistung mit der Forderung eines anderen Sozialleistungsträgers verrechnen (Sonderfall der Aufrechnung ohne Gegenseitigkeit). Er muss dazu durch den anderen Leistungsträger ermächtigt werden. Die sozialrechtliche Verrechnung ist rechtens, wenn die Voraussetzungen für eine Aufrechnung erfüllt sind. Der für die Geldleistung zuständige Leistungsträger verrechnet aufgrund einer Ermessensentscheidung. Die Verrechnung ist nur unter Leistungsträgern nach dem Sozialgesetzbuch zulässig.
Sozialversicherung: Die Verrechnung ist in § 52 SGB I geregelt. Sie ist rechtens, soweit eine Aufrechnung zulässig ist (§ 51 SGB I).
1 Voraussetzungen
Eine Verrechnung einer Geldleistung ist in dem Rahmen zulässig, in dem auch aufgerechnet werden kann. Abweichend von § 51 SGB I liegen die Leistungsverpflichtung sowie die Forderung nicht in der Hand desselben Leistungsträgers.
Verrechnung einer Beitragsforderung
Ein Unfallversicherungsträger hat gegen den Versicherten einer Krankenkasse eine Forderung wegen zu Unrecht erbrachter Leistungen. Der Versicherte ist arbeitsunfähig krank und erhält Krankengeld von seiner Krankenkasse. Die Forderung des Unfallversicherungsträgers kann mit dem Anspruch auf Krankengeld verrechnet werden.
2 Verfahren
Der leistungspflichtige Sozialleistungsträger wird durch den anderen Sozialleistungsträger (Inhaber der Forderung) ermächtigt, die Forderung mit dem Geldleistungsanspruch zu verrechnen (Verrechnungsersuchen). Die Verrechnung liegt im Ermessen des Leistungsträgers, der die Geldleistung zu erbringen hat.
Verrechnungsersuchen
Die Ermächtigung hat keine Außenwirkung und ist durch den Gläubiger der Leistung bzw. Schuldner der Forderung nicht mit Rechtsmitteln angreifbar. Wegen der rechtlichen Gleichordnung der Leistungsträger ist die Ermächtigung kein Verwaltungsakt des ersuchenden Leistungsträgers. Anstelle des Verrechnungsersuchens kann ein koordinationsrechtlicher öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen den Leistungsträgern geschlossen werden.
Die Ermächtigung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung und nicht an eine bestimmte Form gebunden.
Entschließt sich der Leistungsträger zur Verrechnung, hat er gegenüber dem Leistungsberechtigten eine Verrechnungserklärung abzugeben. Dabei handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt. Rechtsschutz nimmt der Sozialleistungsberechtigte direkt gegen den Bescheid in Anspruch, mit dem die zu verrechnende Forderung durch den um Verrechnung ersuchenden Leistungsträger festgestellt wurde.
3 Besondere Verrechnungsfälle
Tatbestand |
Hinweis |
Adressat der Verrechnungserklärung |
Rechtsgrundlage |
Übergegangene Ansprüche auf laufende Geldleistungen |
Die Verrechnung ist abweichend von §§ 51, 52 SGB I in unbeschränkter Höhe zulässig |
Sonderrechtsnachfolger |
§ 57 Abs. 2 Satz 3 SGB I |
Verpfändete oder übertragene Ansprüche auf Geldleistungen |
Gegen Geldleistungen kann verrechnet werden, wenn der Anspruch auf die zu verrechnende Forderung vor der Verpfändung oder Abtretung bekannt geworden ist. |
Neuer Gläubiger der Geldleistung, an den verpfändet oder übertragen wurde |
§ 53 Abs. 5 SGB I |
Geldleistungen, die sowohl aufgerechnet als auch verrechnet werden können |
Die (eigene) Aufrechnung ist vorrangig vor einer möglichen Verrechnung wahrzunehmen |
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Verbot der unzulässigen Rechtsausübung |