Entscheidungsstichwort (Thema)
Selbstbeschaffte Internatsunterbringung. Beeinträchtigung der Teilhabe (verneint). Anspruch auf Eingliederungshilfe (verneint)
Normenkette
SGB VIII §§ 35a, 36a
Tenor
1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten der gerichtskostenfreien Verfahren.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der … geborene Kläger beansprucht vom Beklagten die Übernahme der Kosten für seine Beschulung und Unterbringung in der Schloss-Schule … für das Schuljahr 2010/2011, in dem er die 8. Klasse besuchte, als Leistung der Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendhilfe gemäß § 35 a Achtes Buch Sozialgesetzbuch – SGB VIII (B 3 K 11.411). Auch für die Schuljahre 2011/2012 und 2012/2013 wird eine solche Hilfe beansprucht (B 3 K 12.937). Strittig ist insbesondere, ob der Kläger, der an einer Depression, einer Störung der Aufmerksamkeit und Konzentration, einer Anpassungsstörung und einer isolierten Rechtschreibstörung leidet, dadurch seelisch behindert bzw. von einer seelischen Behinderung bedroht ist und insoweit das Erfordernis der Beschulung an oben genannter Internatsschule besteht.
1.
Bereits für das Schuljahr 2008/2009 beantragte der Kläger beim Beklagten für den Besuch eines Internats in Münsingen (Baden-Württemberg) die Gewährung von Eingliederungshilfe. Dieser lehnte entsprechende Leistungen jedoch unter Verweis auf die fehlende Beeinträchtigung seiner Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ab. Das daraufhin angestrengte Klageverfahren blieb erfolglos (VG Bayreuth vom 27.07.2009, Az. B 3 K 08.954 und nachfolgend BayVGH vom 29.11.2010, Az. 12 ZB 09.2199 ≪juris≫). Den erneuten Antrag auf Übernahme der Kosten für die Internatsunterbringung im Schuljahr 2009/2010, nunmehr in der Schloss-Schule … lehnte der Beklagte ebenfalls unter Verweis darauf ab, dass ein Risiko zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben nicht bestehe und auch nicht zu erwarten sei. Das daraufhin angestrengte Klageverfahren blieb ebenfalls erfolglos (VG Bayreuth vom 06.06.2011, Az. B 3 K 11.180 ≪juris≫ und nachfolgend BayVGH vom 23.07.2012, Az. 12 ZB 11.1742 ≪juris≫).
2.
Für das Schuljahr 2010/2011 stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Eingliederungshilfe gemäß § 35 a SGB VIII; zum Zeitpunkt der Antragstellung im September 2010 seien die Voraussetzungen des Teilhaberisikos nach § 35 a SGB VIII jeweils gesondert zu prüfen (Schriftsatz vom 30.11.2010). Zur Vorlage kam ein Schreiben der Ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie Dr. …, vom 17.02.2011 an das Jugendamt Landkreis Coburg. Sie sei vom Jugendamt um Mitteilung gebeten worden, ob der Kläger anhand aktueller Untersuchungen weiterhin zum Personenkreis der von einer seelischen Behinderung bedrohten Personen gehöre. Sie habe für das Kind bereits spezifische Bescheinigungen und Gutachten am 05.08.2009, 21.10.2009 und 22.03.2010 erstellt. Ihrem Schreiben vom 22.03.2010, dem eine erneute aktuelle Diagnostik zugrunde gelegen habe, sei zu entnehmen, dass sich die Situation dank der Internatsunterbringung für den Kläger gebessert habe, aber nach wie vor spezifische Anpassungsstörungen vorlägen. Bei dieser Diagnostikphase habe es sich um die zweite umfangreiche Phase innerhalb von zwei Jahren gehandelt, die auch letztendlich erforderlich gewesen sei, weil der Beklagte nach regelmäßiger Medikation habe wissen wollen, ob sich eine Stabilisierung ergeben habe. Der Kläger bekomme die Medikation überwiegend von ihr verordnet und sie sehe ihn auch regelmäßig, zuletzt am 17.01.2011. Hierbei sei ihr berichtet worden, dass es mittlere schulische Leistungen gebe, die Konzentration manchmal mäßig, aber insgesamt ausreichend sei. Er nehme eine durchaus angemessene pubertäre Entwicklung und habe mittlerweile auch begonnen, Eigenverantwortung zu übernehmen. Anfang 2010 habe er eine längere Phase von Antriebslosigkeit gehabt, die aber nun überwunden sei. Insofern habe der Kläger eine ausreichende Anpassung dank der umfangreichen Unterstützung erreicht, sei aber nach wie vor immer wieder auch auf diese angewiesen. Sie wolle deutlich zum Ausdruck bringen, dass eine dritte Phase der Diagnostik innerhalb von drei Jahren eine Unzumutbarkeit darstelle, die therapeutisch fachlich nicht zu verantworten sei, da auch fortwährende Diagnostik wieder eine psychische Belastung darstelle.
Dem Entwicklungsbericht der Schloss-Schule … vom 20.04.2011 ist zu entnehmen, der Kläger sei jetzt in der 8. Klasse und bewohne mit den anderen Acht- und Neunt-klässler-Jungs den oberen Gang. Er sei in die Gruppe integriert, wenngleich er nach wie vor ein eher distanziertes Verhältnis sowohl zur Gruppe als auch zu den Erwachsenen zeige. Das heiße auch, dass er keinen echten Freund habe und er auch zu den Erwachsenen keine größere Nähe zulasse. Wenn man es schaffe, mit ihm ins Gespräch zu kommen, sei er aber im Stande, seine Probleme oder seine Bedürfnisse zu artikulieren. So fühle er sich in letzter Zeit mit seinem Zimmerkameraden nicht mehr wohl und habe den Wuns...