Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialleistung. Leistungsträger. Erstattung. Verjährung. Hemmung. Unterbrechung. Beiladung. einfache Streitverkündung. Rechtskraft
Leitsatz (amtlich)
Der Antrag auf (einfache) Beiladung eines Sozialleistungsträgers hemmt nicht die Verjährung eines in einem späteren Klageverfahren gegen ihn geltend gemachten Erstattungsanspruchs.
Der Antrag auf (einfache) Beiladung hat nicht die verjährungshemmende Wirkung der Zustellung einer Streitverkündung.
Normenkette
SGB X §§ 113, 120 Abs. 2; SGB VIII §§ 89a, 86 Abs. 6; BGB n.F. § 204 Abs. 1 Nr. 6; EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 1; VwGO §§ 65, 121
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung entsprechend Sicherheit leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Kosten, die die Klägerin für die Vollzeitpflege des am 13. September 1981 geborenen D.-S. T. (im Folgenden: Hilfeempfänger) in dem Zeitraum nach dem Tod seiner leiblichen Mutter im August 1995 bis Oktober 1998 geleistet hat.
Die verstorbene Mutter des Hilfeempfängers hatte seit Juli 1981 ihren Wohnsitz in S1.. Der Hilfeempfänger ist in einer Klinik in S1. geboren worden. Eine Vaterschaft ist nicht anerkannt oder gerichtlich festgestellt worden. Er leidet u.a. an einem Morbus Down und wurde nach der Geburt aus der Klinik in S1. in die Vestische Kinderklinik in E. verlegt. Das Jugendamt der Beklagten ist von der Kinderklinik seit Dezember 1981 gebeten worden, den Hilfeempfänger in einer Pflege- bzw. Adoptivfamilie unterzubringen, weil die Eltern eine Übernahme des Kindes in keinem Fall erwünschten. Daraufhin gewährte die Beklagte Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege durch Unterbringung des Hilfeempfängers seit 2. April 1982 im Haushalt der Familie T. in N.. Auch nach dem Umzug der Pflegefamilie in den Zuständigkeitsbereich der Klägerin im Juni 1987 erkannte die Beklagte die Übernahme der durch die Vollzeitpflege entstehenden Kosten, für deren Gewährung zwischenzeitlich die Klägerin zuständig geworden war, an. Am 7. September 1993 ist das Sorgerecht auf die Familie T. übertragen worden.
Nach dem Tod der Mutter am 19. August 1995 widerrief die Beklagte ihr Kostenanerkenntnis unter Hinweis darauf, dass es nunmehr nicht mehr auf den gewöhnlichen Aufenthalt der Mutter ankomme.
Nachdem das Ministerium für Frauen, Jugend, Wohnungs- und Städtebau des Landes Schleswig-Holstein eine Kostenerstattung abgelehnt hatte, forderte die Klägerin mit Schreiben vom 21. November 1996 den Landschaftsverband Westfalen-Lippe zur Kostenerstattung auf, weil im vorliegenden Fall für die örtliche Zuständigkeit der tatsächliche Aufenthalt des Kindes maßgeblich sei. Sie machte geltend: Die Mutter des Hilfeempfängers habe sich seinerzeit geweigert, den Hilfeempfänger mit nach Hause zu nehmen. Er sei deshalb vor Hilfebeginn in Kliniken untergebracht gewesen und habe nicht bei seiner Mutter in S1. einen gewöhnlichen Aufenthalt begründen können. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe trat dieser Auffassung entgegen mit der Begründung, Kinder erlangten grundsätzlich mit der Geburt ihren gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo auch die Mutter den gewöhnlichen Aufenthalt habe. Es sei unerheblich, ob das Kind tatsächlich in die mütterliche Wohnung aufgenommen worden sei.
Im Rahmen der von der Klägerin gegen den Landschaftsverband Westfalen-Lippe beim Verwaltungsgericht N. (9 K 2474/00) am 12. August 2000 erhobenen Klage ist die Beklagte gemäß dem in der Klageschrift gestellten Antrag durch Beschluss vom 11. April 2003 beigeladen worden, weil ihre rechtlichen Interessen durch die Entscheidung in dem anhängigen Verfahren berührt würden. Durch rechtskräftiges Urteil vom 13. August 2003 – die Zustellung des Urteils an die Klägerin erfolgte am 26. August 2003 – ist die Klage mit der tragenden Begründung abgewiesen worden, die Kostenerstattungspflicht der Beklagten habe sich durch den Tod der Mutter des Hilfeempfängers nicht geändert. Der Hilfeempfänger habe vor Hilfebeginn zunächst bis zur Weigerung seiner Mutter im Dezember 1981, ihn zu sich zu nehmen, seinen gewöhnlichen Aufenthalt bei seiner Mutter in S1. gehabt. Damit habe er während der letzten sechs Monate vor Beginn der Hilfeleistung im Sinne des § 86 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII seinen gewöhnlichen Aufenthalt in S1. gehabt, so dass die Beklagte nach § 86 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII weiterhin erstattungspflichtiger örtlicher Träger sei.
Die Klägerin beantragte daraufhin erneut im November 2003 bei der Beklagten die Erstattung der für den Hilfeempfänger aufgewendeten Kosten. Die Beklagte lehnte eine Kostenerstattung mit Schreiben vom 25. November 2003 ab und erhob zugleich die Einrede der Verjährung.
Die Klägerin hat am 17. Februar 2004 Klage erhoben.
Sie macht geltend: Die Beklagte sei auch nach dem Tod der Kindesmutte...