Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung. Interessenwahrungsgrundsatz. Unterhaltsanspruch
Leitsatz (amtlich)
Ein erstattungsberechtigter Sozialhilfeträger verstößt nicht gegen den aus § 111 Abs. 1 BSHG folgenden Interessenwahrungsgrundsatz, wenn er es unterlässt, Unterhaltsansprüche des Hilfeempfängers zu verfolgen, für deren Durchsetzung in einem etwaigen Unterhaltsprozess nicht mindestens hinreichende Erfolgsaussichten bestehen.
Normenkette
BSHG 107 I; BSHG 111 I; BSHG 91 I
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für K. L. in der Zeit vom 1. Oktober 2000 bis zum 31. März 2002 aufgewendete Sozialhilfekosten in Höhe von 2.504,34 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 6. August 2003 zu erstatten.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.600,00 Euro vorläufig vollstreckbar.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.504,34 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Beklagte der Klägerin Kosten zu erstatten hat, die dieser im Zeitraum vom 1. Oktober 2000 bis zum 31. März 2002 an Hilfe zum Lebensunterhalt für den am M. 1970 geborenen K. L. aufgewandt hat.
K. L. studierte zunächst erfolglos in N. Energietechnik, erhielt von der namens und im Auftrag des Beklagten handelnden Stadt C. seit 1998 laufende Hilfe zum Lebensunterhalt und versuchte in der Folgezeit, eine Naturheilkundeprüfung abzulegen. Zum 13. September 2000 verzog er von C. nach A., weil er annahm, dass er in O. größere Chancen habe, die Wiederholungsprüfung zu bestehen, lebte dort mit seiner Freundin in einem Wohnwagen in einer Wagenburg und bemühte sich um Arbeit in Bereich der Behindertenbetreuung. Die Klägerin gewährte ihm zwischen dem 1. Oktober 2000 und dem 31. März 2002 laufende Hilfe zum Lebensunterhalt.
Nachdem die Stadt C. bereits unter dem 28. September 2000 ihre Kostenerstattungsverpflichtung der Klägerin gegenüber dem Grunde nach anerkannt hatte, forderte die Klägerin mit Schreiben vom 30. August 2001 Kostenerstattung in Höhe von insgesamt 7.144,62 Euro. Die Stadt C. erstattete jedoch nur 4.640,28 Euro und verweigerte die Erstattung des Restbetrages (in Höhe von 2.504,34 Euro), weil die Klägerin es versäumt habe, von den Eltern des Herrn L. aufgrund übergegangenen Rechts Unterhalt in dieser Höhe zu verlangen. Sie bezog sich darauf, dass sie bereits im Jahre 1998 ermittelt habe, dass die Eltern des Herrn L. aufgrund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse Unterhalt in Höhe von monatlich 139,13 Euro zahlen könnten.
Die Klägerin hat am 5. August 2003 Klage erhoben. Sie trägt vor: Der aus § 107 BSHG folgende Kostenerstattungsanspruch stehe ihr in voller Höhe zu; sie habe nicht den sich aus § 111 BSHG ergebenden Interessenwahrungsgrundsatz verletzt, indem sie den Eltern von K. L. keine Rechtswahrungsanzeige nach § 91 Abs. 3 Satz 1 BSHG zugestellt habe; nach § 1602 BGB sei nämlich nur derjenige zum Unterhalt berechtigt, der außer Stande sei, sich selbst zu unterhalten, was auf einen gesunden 30jährigen Mann – auch ohne abgeschlossene Ausbildung – keinesfalls zutreffe; die zivilrechtlichen Anforderungen an die Arbeitsbemühungen würden weit über das hinausgehen, was der Sozialhilfeträger nach den Bestimmungen des BSHG von einem Arbeitslosen verlangen könne.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Beklagten zu verurteilen, ihr für K. L. in der Zeit vom 1. Oktober 2000 bis zum 31. März 2002 aufgewendete Sozialhilfekosten in Höhe von 2.504,34 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 6. August 2003 zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er macht geltend: Die Klägerin habe im Sinne von § 111 Abs. 1 BSHG rechtswidrig gehandelt, indem sie es unterlassen habe, den vorrangigen Unterhaltsanspruch des Hilfeempfängers gegen seine Eltern geltend zu machen; der Klägerin werde allerdings ausdrücklich zugestanden, Herrn L. in Anwendung von §§ 18, 25 BSHG in ausreichendem Maße zur Arbeitssuche und Arbeitsleistung angehalten zu haben; K. L. habe sich auch schon seit Beginn des Sozialhilfebezuges im Jahr 1998 vergeblich um Arbeit bemüht; zudem sei eine unzureichende Arbeitssuche bei fehlender Beschäftigungschance wegen schlechter Arbeitsmarktlage und fehlender Qualifikation unschädlich; die Erwägungen der Klägerin, die Eltern des Betreffenden wegen dort angenommener fehlender Erwerbsbemühungen gar nicht erst bzgl. ihrer Unterhaltsfähigkeit zu überprüfen seien mithin unzutreffend gewesen und würden den Interessenwahrungsgrundsatz zu Lasten des Beklagten verletzen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen Ihnen gewechselten Schriftsätze und auf die Verwaltungsvorgänge der Klägerin und der Stadt C. Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Beratung.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die die Kammer im Einverständnis der Beteiligten gem. § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhand...