Betriebsausgabenpauschale in der Kindertagespflege
Die Kindertagespflege gewinnt in Deutschland als familiennahe Betreuungsform zunehmend an Bedeutung. Welche ertragsteuerlichen Grundsätze für Berufstätige in der Kindertagespflege gelten, hat das BMF mit Schreiben vom 11.11.2016 dargelegt.
Selbständiger oder Arbeitnehmer?
Eine Kindertagespflegeperson erzielt Einkünfte aus einer selbstständigen erzieherischen Tätigkeit (i. S. v. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG), wenn sie
- die Kinderbetreuung in ihrem Haushalt, im Haushalt der Personensorgeberechtigten (i. d. R. der Eltern) oder in anderen geeigneten Räumen vornimmt und
- die Kinder verschiedener Personensorgeberechtigter eigenverantwortlich betreut.
Erfolgt die Betreuung eines oder mehrerer Kinder in dessen/deren Familien hingegen nach den Weisungen der Personensorgeberechtigten, ist die Kindertagespflegeperson regelmäßig als Arbeitnehmer anzusehen. In diesem Fall erzielt sie Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (Arbeitslohn) und kann von ihren Einnahmen entweder die tatsächlich angefallenen Werbungskosten oder den Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 1.000 EUR abziehen.
Gewinnermittlung bei Selbstständigen
Betriebseinnahmen
Kindertagespflegepersonen erhalten laufende Geldleistungen, die neben der Erstattung des Sachaufwands ihre erbrachten (Förder-)Leistungen anerkennen sollen (§ 23 SGB VIII). Das BMF weist darauf hin, dass diese Gelder als steuerpflichtige Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit angesetzt werden müssen. Unerheblich ist, von wem die Gelder gezahlt werden und wie viele Kinder betreut werden.
Hinweis: Die steuerfreie Übungsleiterpauschale des § 3 Nr. 26 EStG von 2.400 EUR pro Jahr kann auf die Gelder nicht angewandt werden.
Erstattet der Träger der öffentlichen Jugendhilfe der Kindertagespflegeperson die Beiträge zu einer Unfallversicherung, zu einer angemessenen Alterssicherung und zu einer angemessenen Kranken- und Pflegeversicherung (nach § 23 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 SGB VIII), bleiben diese Erstattungen jedoch nach § 3 Nr. 9 EStG steuerfrei.
Betriebsausgaben
Selbstständig tätige Kindertagespflegepersonen können wählen, ob sie von ihren steuerpflichtigen Einnahmen die tatsächlich angefallenen (nachgewiesenen) Betriebsausgaben oder pauschale Betriebsausgaben abziehen wollen.
Tatsächlicher Betriebsausgabenabzug
Als tatsächliche Kosten sind abziehbar:
- Kosten für Nahrungsmittel, Ausstattungsgegenstände (Mobiliar), Beschäftigungsmaterialien, Fachliteratur, Hygieneartikel,
- Miete und Betriebskosten der Betreuungsräumlichkeiten,
- Kommunikationskosten,
- Weiterbildungskosten,
- Beiträge für Versicherungen, die unmittelbar mit der Tätigkeit zusammenhängen,
- Fahrtkosten,
- Kosten für Freizeitgestaltung.
Hinweise: Beiträge zur Alterssicherung, Unfallversicherung und zu einer angemessenen Kranken- und Pflegeversicherung der Tagespflegeperson können hingegen nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden.
Pauschaler Betriebsausgabenabzug
Wählt die Kindertagespflegeperson den Pauschalabzug, kann sie einen Betrag von 300 EUR je Kind und Monat als Betriebsausgaben abziehen.
Hinweis: Anders als beim tatsächlichen Betriebsausgabenabzug darf sich durch den Pauschalabzug aber kein steuerlicher Verlust ergeben. Bewegt sich eine Kindertagespflegeperson mit ihrer Tätigkeit nahe an der Verlustgrenze, kann sich für sie daher ein Abzug der tatsächlichen Betriebsausgaben lohnen.
Das BMF weist darauf hin, dass ein pauschaler Betriebsausgabenabzug für Kindertagespflegeperson nur dann ausgeschlossen ist, wenn die Kinderbetreuung im Haushalt der Personensorgeberechtigten oder in kostenlos überlassenen Räumlichkeiten stattfindet.
Kinderbetreuungspersonen sollten ferner beachten, dass der 300 EUR-Pauschale eine wöchentliche Betreuungszeit von 40 Stunden zugrunde liegt. Fällt die tatsächliche Betreuungszeit für ein Kind geringer aus, muss die Pauschale zeitanteilig nach folgender Formel gekürzt werden:
300 EUR x vereinbarte wöchentliche Betreuungszeit (max. 40 Stunden) / 40 Stunden = gekürzte Monatspauschale
Ausfall der Kindertagespflegeperson
Fällt die Kindertagespflegeperson z. B. aufgrund von Urlaub, Krankheit oder Fortbildung aus, kann sie die Betriebsausgabenpauschale für diese Zeiten gleichwohl abziehen, wenn ihr das Betreuungsgeld fortgezahlt wird.
Betriebsausgabenpauschale für Freihalteplätze
Hält die Kindertagespflegeperson sog. Freihalteplätze vor, die bei Krankheit, Urlaub oder Fortbildung einer anderen Kindertagespflegeperson kurzfristig belegt werden können und erhält sie für diese „Reserveplätze“ laufende Geldleistungen (nach § 23 SGB VIII), so kann sie von den erhaltenen Einnahmen eine Betriebsausgabenpauschale von 40 EUR je Platz und Monat abziehen. Werden Freihalteplätze tatsächlich von Kindern in Anspruch genommen, müssen bei der Ermittlung der Betriebsausgabenpauschalen allerdings folgende Besonderheiten beachtet werden:
- Für die Belegungstage darf die (ggf. wegen geringer Betreuungswochenstunden gekürzte) 300 EUR-Monatspauschale zeitanteilig abgezogen werden (anzuwendende Quote: Zahl der Belegungstage / 20 Arbeitstage im Monat).
- Im Gegenzug muss die 40 EUR-Pauschale für Freihalteplätze zeitanteilig gekürzt werden (anzuwendende Quote: Zahl der freigehaltenen Tage / 20 Arbeitstage im Monat).
Zur Veranschaulichung der vorgenannten Grundsätze hat das BMF ein umfassendes Fallbeispiel entwickelt, das im Folgenden mit ergänzenden Erläuterungen dargestellt wird.
Berechnungsbeispiel
Eine Kindertagespflegeperson betreut 4 Kinder und hält einen Freihalteplatz vor. Im Jahr 01 ergibt sich bei ihr folgende Betreuungssituation:
- Kind 1 wird von Januar bis Dezember für jeweils 40 Wochenstunden betreut.
- Kind 2 wird von Februar bis November für 20 Wochenstunden betreut. Im Juni wird es für 3 Wochen krankheitsbedingt nicht betreut; die Zahlungen des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe bleiben jedoch unverändert.
- Kind 3 wird von August bis Dezember für 45 Wochenstunden betreut.
- Kind 4 wird von Januar bis Dezember betreut, jedoch nur an 2 Tagen in der Woche für jeweils 9 Stunden.
- Der Freihalteplatz ist nur im November für 12 Tage mit jeweils 6 Stunden (mit Kind 5) und im Dezember für 4 Tage mit jeweils 8 Stunden (mit Kind 6) belegt.
Die pauschal abziehbaren Betriebsausgaben errechnen sich somit wie folgt:
Kind | Berechnung | abziehbar | Bemerkung | |
Kind 1 | 300 EUR | x 12 Monate = | 3.600 EUR | Grundfall |
Kind 2 | 300 EUR x 20 Stunden / 40 Stunden | x 10 Monate = | 1.500 EUR | Zeitanteilige Kürzung wegen geminderter Wochenstundenzahl; krankheitsbedingter Ausfall unerheblich wegen Fortzahlung. |
Kind 3 | 300 EUR x 40 Stunden / 40 Stunden | x 5 Monate = | 1.500 EUR | Wochenstundenzahl ist auf max. 40 Stunden beschränkt; keine Erhöhung wegen 45 Wochenstunden. |
Kind 4 | 300 EUR x 18 Stunden / 40 Stunden | x 12 Monate = | 1.620 EUR | 18 Wochenstunden sind zugrunde zu legen. |
Kind 5 | 300 EUR x 30 Stunden / 40 Stunden x 12/20tel | x 1 Monat = | 135 EUR | Wegen 6-stündiger Betreuung pro Tag sind 30 Wochenstunden zugrunde zu legen. Zeitanteiliger Ansatz wegen 12 Betreuungstagen. |
Kind 6 | 300 EUR x 40 Stunden / 40 Stunden x 4/20tel | x 1 Monat = | 60 EUR | Wegen 8-stündiger Betreuung pro Tag sind 40 Wochenstunden zugrunde zu legen. Zeitanteiliger Ansatz wegen 4 Betreuungstagen. |
Freihalteplatz im Januar bis Oktober | 40 EUR | x 10 Monate = | 400 EUR | Für durchgängigen „Leerstand“. |
Freihalteplatz im November | 40 EUR x 8/20tel | x 1 Monat = | 16 EUR | Für anteiligen „Leerstand“. Kürzung wegen 12 Belegungstagen. |
Freihalteplatz im Dezember | 40 EUR x 16/20tel | x 1 Monat = | 32 EUR | Für anteiligen „Leerstand“. Kürzung wegen 4 Belegungstagen. |
Pauschaler Betriebsausgabenabzug für das Jahr 01 somit | 8.863 EUR |
|
Anwendungsregelung
Das BMF erklärt, dass die vorgenannten Grundsätze in allen offenen Fällen anwendbar sind. Die bisher zum Themenkreis ergangenen BMF-Schreiben vom 17.12.2007, vom 17.12.2008 und vom 20.5.2009 wurden aufgehoben.
Fazit
Da Kindertagespflegepersonen in der Regel zwischen dem tatsächlichen und dem pauschalen Betriebsausgabenabzug wählen können, sind sie gut beraten, wenn sie sich nicht bereits zu Jahresbeginn auf eine Methode festlegen. Das steuerlich günstigste Ergebnis erzielen sie, wenn sie am Jahresende zunächst ihre tatsächlich entstandenen Werbungskosten zusammenrechnen und dann mit den pauschal abziehbaren Betriebsausgaben vergleichen. Die Berechnung mit dem höchsten Kostenabzug kann dann der steuerlichen Gewinnermittlung zugrunde gelegt werden. Um sich die Möglichkeit dieser (Schatten-)Berechnung offen zu halten, müssen Kindertagespflegepersonen während des Jahres aber zunächst sämtliche Rechnungen und Quittungen über abziehbare Kosten sammeln.
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